Buchbesprechungen


20.07.2022

Rote Listen der Brutvögel und Schmetterlinge sind wichtige Gefährdungsanalysen

Kurz- und langfristige Bestandstrends werden detailliert vorgestellt

Hannover / Flintbek. In Berücksichtigung zahlreicher Publikationen und Fachleute sind für die Bundesländer Niedersachsen/Bremen und Schleswig-Holstein aktualisierte Rote Listen zu Brutvögeln und Schmetterlingen erschienen. Wie alle Auflagen zuvor sind diese Listen wichtige Grundlagen, um sich einen Überblick über die Bestandssituation und Gefährdungsgrade zu verschaffen.

Thorsten Krüger und Knut Sandkühler bearbeiteten die 9. Fassung der Roten Liste der Brutvögel Niedersachsens und Bremens nach bekannten Kriterien und Kategorien mit einer eindrucksvollen Illustration (Format DIN A 4). Die Gesamtliste umfasst 244 Arten, darunter die gut vertretenen Arten (z.B. 25.000 Brutpaare der Lachmöwe), stark abnehmende Arten (Uferschnepfe mit 1.700 Paaren) oder nur noch in wenigen Exemplaren auftretende Arten wie Rohrdommel (4 Reviere), Flussuferläufer (30 Paare) und Sumpfohreule (25 Paare). Während  zahlreiche bis zu drei absteigende Pfeile die kurzfristigen negativen Trends anzeigen (Turteltaube, Sumpfhühner, Bekassine, Kornweihe, Wendehals, Grauammer), so gibt es auch mit allerdings nur einem aufsteigenden Pfeil ausgewiesene Gewinner wie Weißstorch (1.220 BP), Waldschnepfe (1.500 BP) und Grünspecht (9.500 Reviere). Lebensraumschwund, Dürren und Nahrungsmangel dürften die Ursachen für zum Teil abstürzende Bestandszahlen bei Wachtelkönig, Star, Bluthänfling, Feldsperling, Gimpel und Trauerschnäpper sein. Um deren Bestände wieder aufzubauen, ist die sofortige Einrichtung von Ruhezonen im Biotopverbund besonders wichtig. Thorsten Krüger hat diesen unruhigen Wechsel zwischen sich ausbreitenden Maisackerkulturen mit einhergehendem Verlust der Bodenbrüter und extensivem Grünland in seinem Heimatort Wardenburg (Oldb) von Kindesbeinen an miterlebt – übrigens genauso sein Bruder Andreas, der heutige Präsident des Nabu.

Krüger, T. & K. Sandkühler (2022): Rote Liste der Brutvögel Niedersachsens und Bremens.- 9. Fassung, Oktober 2021, Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 2/2022, NLWKN, 110-174

Selbst einst häufige Arten wie der Star sind heute vielerorts nicht mehr zu finden, denn es fehlt vor allem an futterreichem Grünland. Foto: M. Oetje-Weber

Für Schleswig-Holstein sind gleich vier neue Ausgaben der Roten Liste der Brutvögel und Schmetterlinge erschienen (je 2, Format A 5, 6. Fassung).  Die Hefte sind ebenfalls textlich  und grafisch anspruchsvoll mit entsprechenden Warnhinweisen gestaltet. Die fachliche Gewähr gibt ein Autorenkollektiv im Umfeld von Jan Kieckbusch (Staatl. Vogelschutzwarte) und Bernd Koop (OAGSH). Sehr informativ sind mehrzeilige Darstellungen der lang- und kurzfristigen Bestandsentwicklung, der Einstufungskriterien bzw. Gründe für die Bestandsrückgänge bis hin zum Aussterben und qualifizierte Angaben zu den Biotopen. Aufgeführt werden 216 regelmäßige Brutvogelarten, von denen langfristig immerhin 87 (40%) eine Zunahme aufweisen. Ob sich das halten lässt, dürfte auch davon abhängen, wie stark energiepolitische Eingriffe in die Landschaft vorgenommen werden, deutliche Proteste hat es ja bereits aktuell gegeben. Denn der Schutz zum Beispiel der heimischen Avifauna und die Freihaltung der Landschaft von Bebauung darf nicht als Verfügungsmasse für andere politische Ziele und vergangene umweltpolitische Fehlleistungen herhalten. Umso wichtiger sind diese wissenschaftlichen Dokumentationen, die über Jahrzehnte sehr genau vergleichend geführt werden und Trends aufzeigen.

Kieckbusch, J. (2021): Die Brutvögel Schleswig-Holsteins.- Rote Liste Bd. 1, 1-114; Bd. 2, 118-230; Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, 24220 Flintbek

In langer Tradition von Zoologen an der Universität Kiel wie Bernd Heydemann, der beiden zuständigen Landesämter und des Landesnaturschutzverbandes einschließlich seiner Mitglieder  werden Angaben zur Entomologie angesichts des rapiden Rückgangs von Schmetterlingen immer wichtiger. Detlef Kolligs erläutert sehr überzeugend die Gefährdungslage und ihre Ursachen. Eine gute Orientierung gibt das alphabetische Verzeichnis der Großschmetterlinge  nach Artnamen und Risiken, auch im Vergleich zur bundesdeutschen Roten Liste.   

Hier zwei Zitate aus dem Text von Detlef Kolligs, die die dramatische Situation der Schmetterlingsfauna in Schleswig-Holstein (und auch verbreitet anderswo zutreffend) wiedergeben (S. 26/28):

 „Die Schaffung neuer Waldflächen erfolgt vor allem durch die sofortige Anpflanzung wirtschaftlich interessanter Baumarten, wie Rotbuche, Eiche oder auch Douglasie. Der natürlichen Sukzession von Waldflächen wird auch unter vermeintlichen Naturschutzprojekten nur wenig Raum gegeben. Wald kann heutzutage in der allgemeinen Wahrnehmung anscheinend nur vom Menschen angepflanzt werden, was aktuell bundesweit mit millionenschweren Programmen gefördert wird. Die Schmetterlingsarten des mageren Grünlands, der Heiden und der Dünen sind zu einem hohen Prozentsatz ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Diese Lebensräume sind inzwischen bis auf wenige Restflächen durch landwirtschaftliche Nutzung, Aufforstung und Bebauung weitestgehend aus der Landschaft Schleswig-Holsteins verschwunden. Vor nur einhundert Jahren waren sie noch landschaftsprägend. Die wenigen verbliebenen Flächen unterliegen weiterhin zahlreichen negativen Einflüssen. Dazu zählen wie bereits zuvor erwähnt der sehr hohe allgemeine Stickstoffeintrag über die Luft und die Niederschläge und die damit einhergehende drastische Veränderung der Vegetation. Für den Erhalt einer Population über 50 Jahre werden deshalb sowohl ausreichend große Lebensräume mit unterschiedlichen Nischenangeboten als auch genügend große Bestände der Raupennahrungspflanzen benötigt. ASHER et al. (2001) legen deshalb je nach Biologie der Arten Lebensraumgrößen von 50 bis 100 Hektar zugrunde. Dies sind weitaus größere Flächen als die Mehrzahl der einzelnen Naturschutzgebiete Schleswig-Holsteins jeweils hat.“

Kolligs, D. (2021): Die Schmetterlinge Schleswig-Holsteins – Checkliste aller Arten und Rote Liste der Großschmetterlinge.- Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Bd.1, 1-KK121 S.,  Bd.2, 126-246, 24220 Flintbek

Bundesamt für Naturschutz (BfN): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands.- Naturschutz und Biologische Vielfalt (z.B.) Heft 70 (1), Bd. 1: Wirbeltiere (2009), 386 S., Bonn, www.bfn.de

Remmer Akkermann

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19.10.2020

Ein Drittel aller heimischen Säugetiere ist bestandsgefährdet

Rote Liste des BfN: 49 von 97 bewerteten Arten werden aufgeführt

Im Vergleich zum weltweiten Vorkommen mit 6.495 Arten leben in Deutschland mit 117 Taxa deutlich weniger Säugetierarten, das sind aber etwa 44% der europaweit vorkommenden Arten. Für 16 Arten hat unser Land eine erhöhte Verantwortung, dazu gehören 3 Spitzmausarten, 5 Fledermausarten, Feldhamster, Gartenschläfer, 4 Maus- und Wühlmausarten, Seehund und Wildkatze. Die Bestände von 50 Arten sind sehr selten (Nymphenfledermaus, Zwergwal), selten (Gartenschläfer, Haselmaus) oder ausgestorben (Europ. Ziesel ca. 1985, Braunbär 1864, Auerochse vor 1500, Wildpferd vor 1500, Großer Tümmler ca. 1970). Auf der Vorwarnliste stehen Arten wie Biber und Iltis. Vom Aussterben bedroht sind Große Hufeisennase und Hausratte. Eine lesenswerte Übersicht gibt das Bundesamt für Naturschutz Heft Nr. 170 der Reihe Naturschutz und Biologische Vielfalt. *

Säugetiere sind in der freien Natur nicht zu übersehen. Einerseits stehen sie als Haus- und Masttiere millionenfach in den Ställen oder auf Weiden, stellen Arbeitstiere wie Reit-, Renn- und Rückepferde und sorgen als Schafe und Ziegen zu Zehntausenden für Deichbeweidung, Landschaftspflege oder Milchproduktion. Die wildlebenden Vertreter sind demgegenüber infolge industrieller Flächenbewirtschaftung und Siedlungserweiterungen, Forstplantagenwirtschaft und weiträumiger Entwässerung überwiegend auf dem Rückzug. Das betrifft auch Arten wie Igel, Feldhase, Baummarder und Iltis. Ungefährdet sind Maulwurf, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Feld-, Scher- und Rötelmaus, Steinmarder, Fuchs, Dachs, Reh, Rothirsch und Wildschwein. Auf dem Vormarsch sind -nach Ansicht von anderen Experten- Neueinwanderer wie Bisam, Nutria, Marderhund und Waschbär.

Das Naturschutzforum Deutschland (NaFor) und seine Mitgliedsvereine unterstützen die einschlägigen Untersuchungen und Veröffentlichungen zu Säugetieren, ihrer Biologie und den spezifischen Lebensraumansprüchen und machen Vorschläge zur Förderung von Biotopverbundsystemen und Quartierschutz.

Dazu wurden, auch in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Säugetiere, zu div. Säugetieren im Internet aufrufbare Kurzinformationen herausgegeben:

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Wisent-Stier „Spenax“ mit Halsbandsender; Forschungsprojekt der Universität Osnabrück, im Eleonorenwald/Nordwestdeutsche Tiefebene (Arenberg-Meppen-Privatforstverwaltung). Die letzen Tiere wurden in Mitteleuropa vor 1700 ausgerottet, heute stammen freilebende Wisente aus Gehegezuchten in Deutschland und Polen. Foto: Stefan Lange

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*Quelle. Meinig, H.; Boye, P.; Dähne, M.; Hutterer, R. & Lang, J. (2020): Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands.- Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (2): 73 S., Bonn

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05.04.2020

Auch zu Hause lassen sich Vögel bestimmen und vergleichen

Naturschutzforum empfiehlt ein Malbuch des Zoologen Dr. Franz Müller

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Die Zeichnungen im „Malbuch unsere Vögel“ von Franz Müller, in 2. Auflage erschienen im Verlag Kessel, dokumentieren die große künstlerische Fähigkeit des in Fulda ansässigen Autors,  Tiere naturgetreu wiederzugeben. In anderen Veröffentlichungen zeigen seine Schwarz-weiß-Zeichnungen auch spontanes Sozialverhalten wildlebender Vögel und Säugetiere, wie es überzeugender nicht dargestellt werden kann.

Auf den gegenüberliegenden Seiten werden vergleichende Studien wie im Falle von Mönchs- und Klappergrasmücke oder Neuntöter und Raubwürger wiedergegeben. Zugeordnet werden die Arten acht Habitaten wie Wälder und Feldgehölze, Feldflur und Hecken, aber auch Siedlungsbereich und Gärten einschließlich der Wintergäste an Vogelfütterungen. Jeweils vorangestellt werden alle Arten in Farbe –  als Vorlage zum Ausmalen. Bekanntlich fördert das die Formenkenntnis gerade bei jungen Menschen, aber auch das Grundwissen von Studierenden über Wirbeltiere basiert darauf. Ergänzt wird jedes Porträt mit Kurzhinweisen zur Biologie.

Mit diesem spiralgehefteten Malbuch unterstützen Autor und Verlag das Bestreben von Naturschutzverbänden, ohne digitale Hilfe selbstinitiativ tätig zu werden und sich mit Buntstiften und Erinnerungsvermögen die Formenkenntnis bildlich anzueignen, ohne viel lesen zu müssen.

Christiane Lehmkuhl

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Info:

Müller F. (2019): Malbuch unsere Vögel.- Verlag Kessel, www.verlagkessel.de, 174 S. (A4-Format Spiralheftung), ISBN: 978-3-945941-10-2