Artenschutzreport 48/2023 mit Bericht zur Ganzjahresbeweidung durch Wisente

Jena. Das von Martin Görner als Schriftleiter herausgegebene Heft 48 des Artenschutzreports enthält Beiträge zur Kleinen Hufeisennase in der Kyffhäuserregion Thüringen, zur Bedeutung von Ackerflächen in Schutzgebieten für den Insektenschutz, den Lebensraumverbund für große Wildtiere sowie eine Fischbestandserfassung an einem eutrophen Flachsee in Brandenburg. Ein Bericht von Johannes Riedl informiert über 20 Jahre Ganzjahresbeweidung mit Wisenten im altbayerischen Donaumoos, ein Projekt, das im Auftrag des Bayerischen Landtages umgesetzt wird. Probleme mit Moorsackungen und intensiver Agrarwirtschaft werden dargestellt. Der Schutz von Wiesenbrütern wie Brachvogel und Wachtelkönig sowie verschiedener Libellenarten wird unterstützt. Die bei großen Weidetieren stets aufkommenden Bedenken, Vorbehalte und Probleme waren auch hier zu bewältigen. Da das zunächst auf 27 ha eingezäunte Gebiet das Abwandern in die Umgebung begrenzte, waren die Probleme überschaubar. Ein vergleichbarer Versuch im Emsland -ohne Zäune- beendete das dortige Projekt bald. Hinzu kam die Sprungintensität eines Bullen – abgebildet im zitierten BSH-Merkblatt. Im Donaumoos entwickelte sich bei einer Herdengröße von bis zu 32 Tieren (ca. 1 GV/ha, Zaun ca. 1,9 – 2,0 m hoch, unterstützt von einem Elektrogerät) heterogene Vegetationsstrukturen, durchsetzt von langzeitlich blühenden Arten. Nachgewiesen ist die Zunahme der Artenvielfalt. Auch ist der Beitrag zur Förderung der Genetik eines großwüchsigen Wildtieres positiv zu bewerten.

Quellen:

Riedl, J. (2023): 20 Jahre Ganzjahresbeweidung mit Wisenten im altbayerischen Donaumoos.- Artenschutzreport 48, 32-39, ISSN 0940-8215

Schröpfer, R. (2007): Der Wisent (Bison bonasus).- NaFor – NVN – BSH, Ökoporträt 44, Wardenburg, 8 S. www.bsh-natur.de/uploads/ Ökoporträt 44 Wisent.pdf

Artenschutzreport – Redaktion: Schriftleiter M. Görner
Thymianweg 25
D-07745 Jena

Email: ag-artenschutz@freenet.de

 


Maßnahmen zur Rückhaltung von Wasser sind dringlich

Soweit erkennbar, reichen die bestehenden Initiativen von Verbänden, Ländern und Kommunen zur Rückhaltung von Niederschlägen und schonenden Nutzung von Grundwasser nicht aus, um den auch weiterhin zu erwartenden Engpässen in der Wasserversorgung zu begegnen. Das betrifft bundesweit sowohl den Umgang mit Trinkwasser als auch die Verwendung zur Berieselung von landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Grundwasser. Das Naturschutzforum Deutschland (NaFor) appelliert an Wasserverbände und Behörden, deutlich mehr und schneller als bisher Maßnahmen zur Rückhaltung von Niederschlägen umzusetzen. Praktische Umsetzungen helfen mehr als Proklamationen.

In der gerade veröffentlichten Nationalen Wasserstrategie fehlen insbesondere auch Regelungen oder Kontrollen, um das Bevorraten mit Wasserspeichern konsequent zu fördern und übermäßige Nutzungen zu reduzieren, so Prof. Dr. Helmut Schmidt, Präsident des Naturschutzforums Deutschland (NaFor).

Bestehende Wasserspeicher erfüllen verschiedene Funktionen: Talsperren und die über Pipelines erfolgende Fernversorgungen von Städten wie im Falle Bremens durch die Harz-Wasserwerke werden seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben. Talsperren, tragen dazu bei, ausreichenden Wasserstand und damit den Schiffsverkehr auf Kanälen garantieren – Beispiel Thülsfelder Talsperre für den Küstenkanal.

Wenn nun auch Landesteile mit unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen wie in östlichen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ähnlich versorgt werden sollen, ist das zu begrüßen. Allerdings darf das nach Ansicht von NaFor keinesfalls auf Kosten der Wasserversorgung von Feuchtgebieten erfolgen. Vielmehr müssen Auffanganlagen für Niederschläge neu eingerichtet werden

Ein mittlerer Wasserstand wäre vorzuhalten, der eine Ausgewogenheit zwischen dem Biotop- und Hochwasserschutz berücksichtigt, unterstützt durch die Verlängerung der Flussläufe über neue Mäander und Überlaufbecken.

Das Naturschutzforum empfiehlt daher nachdrücklich, auf allen Ebenen Maßnahmen zu ergreifen, die die Vor-Ort-Versickerung von Niederschlägen, die auf Hausdächern und Straßen niedergehen, sicherstellen. Die schnelle Ableitung des Wassers über Kanalisation und Vorfluter vor allem im Winterhalbjahr ist nicht zielführend. „Es ist eine der einfachsten Maßnahmen, Fallrohre mit Froschklappen zu versehen und das Wasser im Garten oder auf Freiflächen zu verrieseln oder in Zisternen und Rückhaltebecken zu speichern“ erläutert der Präsident des NaFor.

NaFor weist darauf hin, dass viele Gemeinden bereits entsprechende Verfügungen haben, es aber an konsequenten Kontrollen vermissen lassen. Auch kümmern sich viele Wasserversorger zu wenig um Hinweise zum sparsam(er)en Umgang mit Trinkwasser.

Die großzügigen Genehmigungen von Flächenberieselungen in der Landwirtschaft durch leistungsstarke Rotationssprenger bedürfen nach Ansicht von NaFor ebenfalls der Begrenzung. Wer mehr verbraucht, soll auch mehr dafür bezahlen. Grundlage bietet das aufzubauende „Grundwasser-Echtzeitentnahmemonitoring“ (s. Nr. 4 auf S. 83). Dieses Instrument könnte auch genutzt werden, um wasserschädliche Einleitungen bzw. Versickerungen überschüssiger Dünger-Stoffe einzudämmen.

Vergünstigungen sind dagegen zu gewähren für ökologische Leistungen zugunsten des naturnahen Wasserhaushalts, der Wasserqualität und Röhrichtbildung im Uferrandbereich. Die der Landwirtschaft zugehörigen Vertreter in den Interessen- und Wasserverbänden sind auf max. 50 % zu begrenzen. Naturschutzverbände und Staatswald-Vertretungen sollten obligatorisch Mitglieder in den Entscheidungsgremien sein.


Zu einigen der in der Nationalen Wasserstrategie (III. Aktionsprogramm Wasser, S. 82-115) gemachten Vorschlägen nimmt das Naturschutzforum Deutschland wie folgt Stellung:

.

Zu 1) Mittel- bis langfristig angelegte flächendeckende regionale Wasserdargebots- und Wasserbedarfsanalysen sind, auch auf Grundlage der EU-Wasserrahmenrichtlinie unter Einbeziehung von z.B. aktualisierter und öffentlich einsehbarer kommunaler Kompensations- und Güllekatastern, erforderlich. Der Hochwasser-Vergleichszeitraum umfasst mindestens 200 Jahre (z.Z. 100 Jahre).

Zu 6 / 41) Es werden die Errichtung von Rückhaltebecken einschl. (ehem.) Feuerlöschteiche und Zisternen im Wohn-/Gartenbereich gefördert. Wasserbeschaffungsverbände weisen die Verbraucher regelmäßig auf die Pflichten zur Einhaltung von Wasserrückhaltungs-Vorgaben hin. Gemeinden sind gehalten, die Umsetzung zu überwachen und ggf. zu ahnden.

Zu 7) Spezifische Leitbilder des regionalen, naturnahen Wasserhaushalts werden entwickelt, die hydrogeologischen und bodenhydrologischen Daten zusammengefasst dargestellt.

Zu 9) Vorranggebiete für die Grundwasserneubildung und die zukünftige Wasserversorgung (Wasserschutzgebiete) sind auszuweisen. Keine Erschließung neuer Wasservorkommen, solange nicht eine nachhaltige Wassermengennutzung erreicht ist (s.10).

Zu 10 / 54) Reduzierung der Wassermengennutzung mit effizienter wassersparender neuer Technik ist ebenso zu fördern wie die Wiederverwertung von Brauchwasser im Kreislauf.

Zu 12) Förderung der natürlichen Bodenfunktionen im Hinblick auf den Bodenwasserhaushalt, den Wasserrückhalt in der Fläche, die Grundwasserneubildung und die Sandlücken-Mesofauna (Vermeidung von Austrocknen auch oberflächennaher Böden zugunsten von z.B. Mesofauna (Regenwürmer usw.), Erhalt stocherfähiger Böden für Wiesenvögel, Erhalt lückiger und von Reptilien (Blindschleichen) und Kleinsäugern (auch als Nahrungsbasis für höhere Wirbeltiere) durchwühlbaren bzw. besiedelbaren Böden.

Zu 13) Verringerung von Hochwasserspitzen durch Priorisierung von Versickerungen, dadurch auf Sandböden auch Förderung der Filterung belasteter Überschwemmungen.

Zu 15) Moorschutz muss divers erfolgen, keine Abtorfung mehr, in deren Grabenschluchten Wirbeltiere und Insekten ertrinken. Moorschutz zu stärken, bedeutet auch, bestehende (halb) trockene, z.T. bewaldete Moore als Ruhezonen mit einer eigenen Sekundärfauna/-flora unangetastet zu lassen, ggf. durch gezielte geringe Durchfeuchtung zu optimieren. Paludikulturen werden außerhalb bodenbelasteter Intensivstandorte (z.B. Mais) kritisch gesehen, da Erfahrungen fehlen und eine weitere Eutrophierung durch Rohrkolben (Typha / “Lampenputzer“ etc.) auf nährstoffarmem Untergrund unerwünscht ist. Die vorhandene schutzwürdige Avifauna auf Extensivgrünland ist zu fördern, nicht das undifferenzierte Unterwassersetzen. Denn im Gegensatz zur Sekundärbesiedlung basieren Regenerationsversuche von Mooren in der Regel auf Artenarmut und Nährstoffmangel.

Zu 16 / 68) Ein Dialog von Land- und Wasserwirtschaft sowie Gewässerschutz mit dem (außer-) behördlichen Naturschutz, der Fischerei und Jagd sind biotopbezüglich unverzichtbar. Außer den empfohlenen Leitbildern sind vor allem gemeinsame landschaftsindividuelle Expertisen vor Ort wichtig. Die Einschätzungen von Naturwerten und Entwicklungsmöglichkeiten können schon innerhalb eines Landkreises stark variieren, lassen sich also nur sehr eingeschränkt verallgemeinern. Entsprechende Schulungen bzw. Fortbildungen sind bezüglich der Qualifizierung der Bediensteten der Gewässerunterhaltung und auftragnehmenden Firmen (DEULA etc.) regelmäßig durchzuführen.

Zu 17 / 66) Eine Praxishilfe für gewässerschonende klimaangepasste Landnutzung nach Art der Schriften zur “Guten fachlichen Praxis“ der Landwirtschaftskammern ist hilfreich. Bestehende Texte des BZL und UBA sind entsprechend hochrangig zu erweitern und auch der Ausbildung und beruflichen Bildung in Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau (Univ., FH, BBS) als zentrale Inhalte zu Grunde zu legen.

Zu 18) Das Bundeswaldgesetz und die Länderwaldgesetze regeln die waldgebundenen Wasserkreisläufe und Wasserrückhaltung. Belastungen von Waldbesitz durch Abgabenerhebung von Wasser- und Bodenverbänden sind auszuschließen (Beispiel: Hunte-Wasseracht erhebt für einen 32 ha großen Wald in Wildeshausen/Düngstrup 560,- EUR/a, das ist keinesfalls zu rechtfertigen). Die wasserwirtschaftlichen Ökosystemleistungen sollten stattdessen durch Zuschüsse von Seiten der örtlichen Wasserverbände maßgeblich unterstützt werden, z.B. durch die Pflicht zu Neupflanzungen, zu Bruthilfen etc. Entsprechende Vorgaben sind auch im Bundeswasserverbandsgesetz zu machen.

Zu 20) Die Bodenentsiegelung ist zugunsten des Einbaus von diversen technischen Versickerungsmöglichkeiten (verbindlich bei Neu- und Umbauten) und Entsiegelungsprojekten (im Falle älterer Baulichkeiten) durchzuführen.

Zu 21 / 23) Auenentwicklung und Gewässerentwicklungskorridore, Ruhezonen auf und am Wasser planen und realisieren. Hier sind -auch auf dem Weg von Raumplanungen und Raumneuordnungen (Flurbereinigungen)- im Biotopverbund (Naturkorridore) geeignete Flächen zu erwerben oder vorzuhalten, vor allem naturflächen-verbindende bzw. -überbrückende Areale, Laufverlängerungen, Altarmanschlüsse, Rückgewinnung natürlicher Retentionsräume und Nutzungsänderungen (Folgelandschaften wie ehem. Kiesgruben, Sand- und Kleinentnahmestellen). Das betrifft -je nach Siedlungsdichte, Bebauung, Bewirtschaftung und touristischen Interessen- 15 bis 30 % einer Flusslandschaft (incl. Einzugsgebiet und direkte Seitenräume) mit der Priorität „naturnahe zu entwickelnde Ruhezone“. Der Natur- und Artenschutz ist hier vorrangig gegenüber anderen Nutzungsinteressen (einschließlich des Wassersports) einzustufen. Das schließt behördliche Genehmigungspraktiken aus (Beispiel Landkreis Diepholz: Investitionen für den Naturschutz nur dann, wenn Tourismus und Wassersport gleichzeitig in gleichem Umfang gefördert wird).

Zu 24) Ähnlich dem Grünen Band entlang der ehemaligen DDR-Westgrenze ist ein „Blaues Band Deutschland“ am Wasser zu entwickeln. Hierzu zählt auch eine Großzahl von stehenden Gewässern, (z.T. aufgegebenen) Fischteichen, Feuchtsenken und kleinen Fließgewässern (III. Ordnung), deren Verbund eine intensive Beteiligung und Abstimmung mit den Interessen von Eigentümern erfordert. Hinzuzuziehen sind Gewässer im öffentlichen Eigentum, darunter auch Domänen- und Klosterbesitztümer sowie Überlegungen der Metropolregionen (z.B. Hamburg-Bremen-Oldenburg -Nordseeküste).

Zu 29 / 38 / 40) Besonders in Agarintensivgebieten wie Cloppenburg und Vechta sind erhebliche bundesgeförderte Projekte zur Reduzierung der mit Nährstoffen, Nitrat und Human-/Tierarzneimittel-belasteten Grund- und Oberflächenwasser (z.B. der Antibiotika als Indikator) dringend und schneller notwendig.

Zu 35) Trinkwasserschutzgebiete sind großzügig auszuweisen, die düngeintensive Landwirtschaft zugunsten von extensiver Grünlandwirtschaft und Ausgleichszahlungen zu beenden. Rund um Wasserentnahmestellen ist -soweit nicht vorhanden- eine Aufforstung zu empfehlen (z.B. OOWV 2x 1.000 ha).

Zu 36 / 56) Bei Kläranlagen ist eine vierte Reinigungsstufe über größere wasserpflanzenreiche Schönungsteiche notwendig. Bei geringer Leistung, auch zu kalter Winterzeit, sind zügige Nachrüstungen notwendig. Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abwasser / Klärschlämmen fördern.

Zu 39 / 58) Flächengebundene Tierhaltung ist als zeitnahes Ziel verbindlich. Eine Verbringung oder zentrale Behandlung von Flüssigmist (Gülle) auf Fremdflächen sind aus Gründen des Grund- und Gewässerschutzes sowie der Tierhygiene (Seuchenschutz) nicht mehr zulässig. Das betrifft die zentrale „Gülleaufbereitung“ ebenso wie die Verteilung über Güllebanken. Die Bundes-Gülleverordnung der neunziger Jahre und die Landes-GülleVO bzw.-Erlasse weisen praktikable Regeln aus (z.B. in Niedersachsen). Von Bedeutung sind auch geförderte Nebenerwerbsbetrieb und Extensivtierhaltungen (1 Milchkuh / ha). Betroffen sind vor allem wiesenvogel-bedeutsame Gebiete, auf denen z.B. bis zu 200 Kühe/ha in Portionsbeweidungen gehalten werden (darin gibt es keine Bruterfolge von Kiebitzen etc.). Alternativ wären Grünlandruhezonen von März bis Juli -unterstützt durch Ausgleichszahlungen- auszuweisen, was dem Artenschutz zugutekäme. Eine Förderung weiterer „Standbeine“ wie Ferien auf dem Bauernhof, Energiegewinnung, Landschaftspflege oder Vertragsnaturschutz käme diesem Ziel und der Absenkung der Milchkuhhaltung entgegen. Biogasanlagen sollten nur im dörflichen bzw. kleinen betriebswirtschaftlichen Rahmen erweitert werden. Zu beachten ist, dass vergorene Reststoffe die Mikrobiologie und Biologie der Mesofauna verändert, was auch Grundwasser und Drainagen / Oberflächenwasser kontaminieren kann.

Zu 45 / 47) Sicherheitsmaßnahmen im Falle evtl. Sabotagen und cyberkriminelle Angriffe gegen die Trink- und Abwasserversorgung sind zum Schutz kritischer Infrastruktur fortzuschreiben bzw. zügig anzustreben. Auch der Katastrophenschutz muss über entsprechende Pläne für die Notversorgung der Bevölkerung über Notbrunnen-Netze -auch auf dem Lande – verfügen.

Zu 46 / 55) Wasserkraft-Anlagen sollten nicht erweitert bzw. vermehrt werden, auch kleine Stromgeneratoren stehen dem Artenschutz, insbesondere für Fische und Wirbellose entgegen. Fischtreppen an Staus oder Schleusen sind gewässerschonend, flach und breit genug anzulegen oder zu erweitern. Die Kosten tragen die Betreiber.

Zu 50 / 51) Zum Auffangen von Hochwasserwellen infolge Stark-/Dauerregens, Tornado-Niederschlägen oder Schneeschmelze sind weiträumige Niederungen und Auffang-Bereiche vorzuhalten und von jeder Bebauung freizuhalten. Die Grünlandflächen kommen dem Wiesenvogelschutz zugute. Kanalisationen und Vorfluter sind durch die Laufverlängerung von Fließgewässern und durch Dachwasser-Verrieselungen zu entlasten. Moore sind als Rückhalteflächen ungeeignet. Gefahren- und Risikokarten sind zu erstellen und öffentlich zugänglich zu machen. Die Bebauung hat sich nach dem Überschwemmungsrisiko in 100 Jahren, also nach den Geländehöhen zu richten.

Zu 57) Den 17 Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Wasserrechts wird zugestimmt.

Zu 61) Die Erhebung, Speicherung und Nutzung gewässerrelevanter Daten ist von besonderer Wichtigkeit, wenn es darum geht, historische Entwicklungen (Trends) im Vergleich zu ermitteln. Dazu gehören nicht nur die durch die Statistikämter und Landwirtschaftskammern erfassten Grunddaten von Natur und Land(wirt)schaft, sondern auch die auf kommunaler Ebene erhobenen Kataster für Güllemengen und deren Verbringungen sowie -für den Artenschutz besonders wichtig- die jahrzehntelangen Angaben zu den Kompensationsmaßnahmen (Ausgleich und Ersatz), diese müssen mit entsprechenden Kartenauszügen öffentlich einsehbar sein. Das betrifft auch wasserschonende Maßnahmen in Intensivgebieten. Die meisten Angaben dieser Art sind auch heute trotz der Informationsgesetzgebung auch für anerkannte Naturschutzverbände nicht zugänglich, es sei denn, es werden konkrete Einzelfälle erfragt.

.

Bezug:
Nationale Wasserstrategie, Kabinettsbeschluss vom 15. März 2023, 120 Seiten, Berlin

www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/nationale_wasserstrategie_2023_bf.pdf


NaFor kommentiert Karten zu Windflächenpotenzialen in Niedersachsen

Das Land Niedersachsen hat kürzlich eine Kartenübersicht über Windflächenpotentiale vorgelegt. Demnach müssen landesweit bis 2026 mindestens 2,2 Prozent der Fläche für die Windenergie ausgewiesen werden.

Die Planungsträger entscheiden in eigener Zuständigkeit über die Ausweisung der Flächen, die Karten zeigen lediglich das Potenzial in den einzelnen Regionen. Da es sich um eine standortorientierte Vorgabe der Potenziale handelt, ist das Kartenwerk aus Sicht des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) prinzipiell auch als Orientierung für andere Bundesländer geeignet, die Ziele schnellstmöglich zu erreichen.

Insgesamt sind nach der Studie des Landes – unter Beachtung des Natur- und Artenschutzes sowie weiterer Belange – 7,2 Prozent der Landesfläche prinzipiell als Windenergie-Standorte geeignet. Aus diesen Flächen sollen die kommunalen Planungsträger nun mindestens 2,2 Prozent auswählen und haben je nach Potenzial unterschiedliche Flächenziele zugewiesen bekommen. Die Flächenpotenziale wurden nach objektiven Kriterien wie Besiedlungsdichte, Abständen zur Wohnbebauung, Belangen der Bundeswehr sowie FFH-, Naturschutz- und Vogelschutzgebieten berechnet. Ziel der Landesregierung ist es, 30 Gigawatt (GW) Windenergie-Leistung an Land bis 2035 in Niedersachsen zu installieren. Das entspricht einem Zubau von rund 18 GW. Jährlich sollen dafür 1,5 GW an Leistung hinzukommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 kamen mit etwa 100 neuen Windrädern insgesamt rund 450 Megawatt (MW) Leistung hinzu. Mit bisher rund 6.200 Anlagen ist Niedersachsen schon jetzt Windenergieland Nr. 1 in Deutschland.

Auf Basis der Studie soll dann in Niedersachsen per Gesetz geregelt werden, wieviel Windfläche in den kreisfreien Städten, den Landkreisen, dem Regionalverband Großraum Braunschweig und der Region Hannover mindestens auszuweisen ist, wie die Planung erleichtert wird und wie Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger direkt von der Energiewende profitieren können.

NaFor begrüßt das vorgelegte Kartenwerk und das in Niedersachsen vorgesehene Vorgehen. Allerdings weist der Naturschutzverband auf kleinere Inkonsistenzen hin, die geprüft werden sollten. So enthält die Übersicht etwa auch Standorte, die für Windkraftanlagen gar nicht mehr zur Auswahl stehen. Dessen ungeachtet kann das Kartenwerk nach Ansicht des NaFor auch eine Orientierung für andere Bundesländer sein.

.

Beispiel: Dannenberg

.

Alle Ergebniskarten der Windflächenpotenzialanalyse finden Sie hier:

https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/ergebniskarten-der-windflachenpotenzialanalyse-downloadmoglichkeit-220485.html

Bezug: NMUEK c/o Presseinformation im Portal des Landes Niedersachsen:

https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/pi-027-karten-windflaechen-220552.html

Weitere Informationen fiden Sie unter: www.nafor.de


Humus ist das Ergebnis eines komplizierten Kreislaufprozesses im Boden

Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) veröffentlicht ein neues Merkblatt  und weist auf die biologischen Grundlagen der Bodengesundheit hin

Kaum bekannt ist der Kreislauf im Boden, zu dessen wesentlicher Komponente Humus gehört. Umso wichtiger ist die nun durch das NaturschutzForum Deutschland vorgestellte Veröffentlichung zum Thema „Humus – der Bioreaktor im Boden“. Autorin ist die Universitätsprofessorin Luise Giani vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Auf nur acht Seiten werden die kompliziereten Zusammenhänge allgemeinverständllich dargestellt. Dabei wird vor allem die Bedeutung der Mesofauna betont, also jener große Gruppe von Klein(st)organismen, die für die Durchlüftung und Zersetzung der toten organischen Substanz in der obersten Bodenschicht sorgen. Darin wurzeln die lebenswichtigen Pflanzen und bauen aus dem Pool von Mineralien und Nährstoffen das für Menschen und Tiere wichtige Pflanzengewebe auf. Die Autorin schreibt dazu:

.

.

Der Begriff „Humus“ ist entlehnt von lateinisch humus „Erde, Erdboden“. Als Synonyme werden Humusboden, Humuserde, Mutterboden, Muttererde, Ackerkrume, Erdreich genannt. Damit stehen „Humus“ und seine Synonyme für „lebendig“ und „fruchtbar“. Auch in der Kulturgeschichte der Menschheit wird der Erdboden als Lebensgrundlage beschrieben. In vielen historischen und heutigen Kulturengab bzw. gibt es einen Mutter-Erde-Mythos mit der Erde als Sinnbild für Fruchtbarkeit und das Leben, der sogar Mittelpunkt des Weltbildes sein kann. Während die genannten Bezeichnungen für „Humus“ eher die lebende organische Materie im Boden betonen, wird in den Bodenwissenschaften „Humus“ getrennt von der lebenden Masse, dem Edaphon, behandelt und reduziert sich auf die Gesamtheit der toten organischen Substanz. Dazu gehören alle abgestorbenen Pflanzen und Tiere und ihre Umwandlungsprodukte. Der Humus oder die organische Substanz (beides wird im Folgenden synonym verwendet) ist im Mineralboden mit den mineralischen Bestandteilen vermischt und/oder mit den mineralischen Bestandteilen zu größeren physikalischen Einheiten, den Aggregaten und Ton-Humuskomplexen, verknüpft und/oder befindet sich als organische Auflage auf dem Mineralboden…

Das Merkblatt kann hier aufgerufen werden oder gedruckt unter info@bsh-natur.de auf dem Postweg angefordert werden.


Heideweiher und Heideseen

in Nordwest-Deutschland: Lebensräume, Vegetation, Gefährdung und Erhaltung

Biotope-Merkblatt 29 der Naturschutzverbände NaFor und BSH erschienen

Den wenigsten Naturinteressierten dürften die selten gewordenen pflanzlichen Bewohner nährstoffarmer Seen bekannt sein. Dazu gehören Arten wie See-Brachsenkraut, Wasser-Lobelie und Igelschlauch. Als Vegetationskundler untersucht und fördert Prof. Dr. Rainer Buchwald von der Universität Oldenburg seit vielen Jahren diese Pflanzengruppe in ständiger Rücksprache mit den Naturschutzbehörden. Erfolgreiche Wiederansiedlungen konnten verzeichnet werden. Das neue Biotope-Merkblatt 29 zu Heideweihern und Heideseen gibt dazu nähere Informationen, auch zur Biologie dieser Wasserpflanzen. Hier folgt ein Auszug (ohne Literaturhinweise).

.

.

Oligotrophe, also nährstoffarme Stillgewässer gehören durch Flächen- und Qualitätsverluste zu den am stärksten gefährdeten Biotoptypen Niedersachsens wie auch Deutschlands. Dabei stellen Versauerung und Eutrophierung (Nährstoffanreicherung) die wesentlichen Ursachen für die Gefährdung dar. Diese Qualitätsverluste sowie – seltener – komplette Flächenverluste durch Überbauung, Sukzession zum Wald o.ä. haben die Anzahl und Größe der Populationen typischer oligotraphenter (an geringe Nährstoffgehalte angepasste) Pflanzenarten in den vergangenen 3-4 Jahrzehnten deutlich verringert.

Oligotrophe Stillgewässer der Geest sind im Wesentlichen durch die im Folgenden behandelten Arten Wasser-Lobelie (Lobelia dortmanna), Strandling (Littorella uniflora) und See Brachsenkraut (Isoëtes lacustris) gekennzeichnet. Die Wasser Lobelie ist in der Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands und Niedersachsens als„vom Aussterben bedroht“ (Kategorie 1) eingeordnet. Der Strandling wird in beiden Listen als „stark gefährdet“ (Kategorie 2) eingestuft. Deutschland hat für diese Art in Anbetracht ihres weltweiten Vorkommens eine mittlere Verantwortung. Das See-Brachsenkraut wird in der Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands als „stark gefährdet“ und in Niedersachsen als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Auch für diese Art hat Deutschland eine mittlere Verantwortung. Alle drei Arten sind an oligotrophe Stillgewässer auf Sand-, seltener Torf- oder Kies-Substrat gebunden.

Der Wollingster See im Landkreis Cuxhaven sowie der Trauener Saal im Heidekreis (Soltau-Fallingbostel) sind aktuell die einzigen zwei autochthonen (heimischen) Wuchsorte der Wasser-Lobelie in Niedersachsen. Eine dauerhafte Erhaltung der Art in Niedersachsen erscheint realistisch, da auch im Versener Heidesee bei Meppen (Emsland) im Jahr 2015 einige aus autochthonem Saatgut gezogene Individuen der Art erfolgreich angesiedelt werden konnten. Dieser fischfreie Heidesee beherbergt infolge seiner nährstoffarmen Bedingungen bereits zahlreiche seltene Kennarten oligotropher Gewässer, bspw. eine große Population des Igelschlauchs (Baldellia ranunculoides). …

Das Merkblatt ist digital hier aufrufbar. Die gedruckte Version (8 Seiten) kann bestellt werden bei der BSH Gartenweg 5 / Kugelmannplatz in 26203 Wardenburg. Weitere Informationen zum Natur-, Biotop- und Artenschutz sind nachzulesen unter www.nafor.de sowie www.bsh-natur.de.


Weltartenkonferenz in Panama: Haie, Reptilien und Tropenhölzer sind künftig stärker geschützt

Endlich wurden vom 14. bis 25. November auf der Weltartenkonferenz in Panama (der 19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES COP19), weitreichende Handelsbeschränkungen und -verbote zum Schutz von handelsbedingt gefährdeten Tier- und Pflanzenarten beschlossen, insbesondere von marinen Arten, Reptilien und Amphibien sowie tropischen Baumarten. Laut Mitteilung des Bundesumweltministeriums nahmen mehr als 2500 Delegierte aus 170 der 184 Vertragsstaaten sowie Vertreter*innen von internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen teil. Von deutscher Seite war der Präsident des DGHT und Nafor-Präsidiumsmitglied Dr. Markus Monzel anwesend.

Laut Bundesumweltministerium hat diese Weltartenkonferenz erstmals rund 100 Hai- und Rochenarten, 150 tropische Baumarten sowie über 200 Reptilien- und Amphibienarten unter internationalen Schutz gestellt. Das ist eine wichtige Vorlage für die Weltnaturkonferenz in Montreal, die nächste Woche beginnt. Allerdings wird nun Australien angedroht, das Great Barrier Riff an seiner Nordküste aus der Weltnaturerbe-Liste zu streichen, wenn nicht mehr für den Schutz der wärmebedingt ausbleichenden Korallen getan wird.

Wichtig war die Unterschutzstellung zahlreicher für die Fischerei relevanter Arten wie die Requiemhaie (Carcharhinidae), darunter der stark befischte Blauhai, Hammerhaie (Sphyrnidae), Gitarrenrochen (Rhinobatidae) und Seegurken (Thelenota spp.). Deutschland hatte sich sehr für diese Anträge eingesetzt, weil Haie und Rochen nach Amphibien inzwischen die am zweitstärksten bedrohte Wirbeltierklasse sind. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der internationale Handel mit Haiflossen und anderen Produkten. Mit den nun beschlossenen Listungen auf Anhang II fallen statt der bisherigen 25 Prozent ca. 90 Prozent des Handels unter die Nachhaltigkeitskontrolle von CITES. Damit ist ein wichtiger Schritt für einen besseren Schutz dieser für stabile Ökosysteme wichtigen Arten getan. Nach Auffassung des Naturschutzforums Deutschland (NaFor) ist zu hoffen, dass damit endlich die auch hierzulande auf den Speisekarten von China-Restaurants stehenden Haifischflossensuppen der Vergangenheit angehören, weiß man doch, dass damit ein grausames und tierquälerisches Abschneiden der Flossen bei lebendigem Leibe verbunden ist.
Die Unterschutzstellung zahlreicher Holz liefernder Baumarten und Medizinalpflanzen war eine Priorität für die deutsche Delegation. Gelistet wurden stark gehandelte Tropenhölzer wie zum Beispiel Ipé (Handroanthus spp., Roseodendron spp. und Tabebuia spp.) und Cumaru (Dipteryx spp.). Zukünftig können nur nachhaltig gewonnene Hölzer dieser Arten international gehandelt werden. Das bedeutet: Es darf nur noch so viel Holz entnommen werden, wie nachwachsen kann.

Massiv gefährdet ist auch die Baumart Paubrasilia echinata, deren als Fernambuk bekanntes Holz für hochwertige Bögen von Streichinstrumenten genutzt wird. Das Ergebnis der Verhandlungen, den Export dieser endemischen Art aus Brasilien entsprechend zu begrenzen und umfassend zu kontrollieren.
Die CITES CoP19 hat zahlreiche Listungen für Reptilien- und Amphibienarten beschlossen, darunter 21 Anträge zu Arten, die im Lebendtierhandel vorkommen. Vier der eingereichten Anträge stammten von der EU, darunter zwei von Deutschland erarbeitete Vorschläge zur Listung des für Laos endemischen und stark gefährdeten Laos Warzenmolch (Laotriton laoensis) und der stark gehandelten grünen Wasseragame (Physignathus cocincinus).

Auch Seegurken gehören zu den gefährdeten marinen Stachelhäutern und sollen nun stärker geschützt werden.



Deutschland unterstützt die Umsetzung der von CITES vorgesehenen Kontrollinstrumente durch eine Vielzahl von Projekten, zum Beispiel zur besseren Durchführung von Nachhaltigkeitsprüfungen, global abrufbarer digitaler Anwendungen und Schulungen. Die Bundesregierung hat für diese Arbeit auf der CITES CoP19 viel Zuspruch und Anerkennung erhalten. Zu danken ist für die Gesamtorganisation dem Generaldirektor des International Union for Conservation of Nature (IUCN, CH-Gland) Dr. Bruno Oberle, der informative Interviews über die Medien zum Ergebnis der Panama-Tagung abgegeben hat.
Das BMU über das Washingtoner Artenschutzübereinkommen:

Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, CITES, trat am 1. Juli 1975 in Kraft. Es regelt die Ein- und Ausfuhr von derzeit circa 40.000 bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Kerninstrumente des Übereinkommens sind Ein- und Ausfuhrgenehmigungspflichten.

Die CITES CoP19 befasste sich mit insgesamt 52 Vorschlägen zur Änderung der Anhänge I – III des Abkommens betreffend Beschränkungen des Handels mit Arten sowie mit über 90 Arbeitsdokumenten mit Entscheidungs- und Resolutionsvorschlägen aus verschiedenen Bereichen des Abkommens, u.a. Wildtierhandel und Zoonosen sowie Vollzug und Durchsetzung.


Bezug: BMU-Pressedienst 165/22 Berlin, 25. 11. 2022


Fachtagung zur Ökologie der Fische vom 17. bis 20. November 2022 in Wien

Die Gesellschaft für Ichthyologie e.V. (GfI) lädt ein zu ihrer 18. Jahrestagung vom 17. (15 Uhr) bis zum 20. November 2022 in das Naturhistorische Museum Wien, Maria-Theresien-Platz 2, 1010 Wien.

Schwerpunkte werden sein: die Ökologie, Biodiversität, Ethologie und Systematik der Fische. Im Lichte der Wiener Fischsammlung geht es speziell um die „Biodiversität von Phoxinus spp. in Europa“ (Elritzen-Gruppe) und um „Höhlenbewohner des dinarischen Karstes“.

Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Tagungsgebühren liegen zwischen 15 / 55 / 75 EUR. Anmeldung unter: GfI2022@nhm-wien.ac.at

Weitere Informationen siehe: https://www.ichthyologie.de/gfi-tagung-2022/


Fischsterben an der Oder: Seitengewässer vor eindringendem Oder-Wasser schützen

Naturschutzforum macht auf die Bedrohung der Oder-Seitengewässer bei ansteigenden Wasserständen aufmerksam

Slonsk.  Das katastrophale Fischsterben an der Oder dürfte Folgen haben, wenn es im Herbst erst einmal wieder zu normalen bis höheren Wasserständen kommen wird. Dann wird es nach Auffassung von Vertretern des Naturschutzforum Deutschland (NaFor) vermehrt zum Austausch des Oder-Wassers mit Wasserkörpern aus den Nebengewässern kommen. Das ist zurzeit wegen der Niedrigwasserstände noch nicht eingetreten. Umso mehr muss dafür Sorge getragen werden, dass negative Einflüsse des Oderwassers auf die Nebengewässer verhindert oder eingegrenzt werden. 

Noch ist die Ursache für das Fischsterben nicht abschließend geklärt. Laut Hinweisen von Sascha Maier und Christian Wolter vom BUND fällt die massenhafte Vermehrung der einzelligen, geißelbeweglichen Alge Prymnesium parvum auf. Nachgewiesen wurden 200 Mikrogramm pro Milliliter mit mehr als 100.000 Zellen. Diese Algenart ist als Giftbildner bekannt, die bei Massenauftreten Fischsterben verursacht (Linne von Berg[1]). Bei den Toxinen, die sie produziert, handelt es sich vor allem um hämolytische Galactolipide. Als mixotrophe, d.h. auch Photosynthese betreibende Alge könnte sie für den festgestellten erhöhten Sauerstoffgehalt des Oderwassers verantwortlich sein. Besonders gut entwickelt sich diese Alge, die eigentlich im Brackwasser vorkommt, bei hohen Salzgehalten und hohen pH-Werten. Beide Parameter wurden im Oderwasser nachgewiesen. Offensichtlich sind an der Oder mehrere Faktoren zusammengekommen: eine anhaltende Zufuhr von Abwässern aus Industrie, Gewerbe und Siedlungen entlang der Oder, möglicherweise kurzzeitige Einleitungen giftiger Konzentrate aus Papierfabriken, Kläranlagen oder/und fahrenden Tankwagen, hohe Temperaturen, hohe Salzgehalte und pH-Werte und eine daraus resultierende Algenblüte. Die Auswirkungen auf die Fischfauna sind umso schwerwiegender, je niedriger der Verdünnungsgrad infolge des Wassermangels ist. Irgendwann ist der letale Kipppunkt erreicht.

Prognosen, dass sich die ursprünglichen Lebensgemeinschaften in der Oder nach und nach aus den Seitenräumen wieder ansiedeln und aufbauen lassen, so wie es beispielsweise 1986 beim Sandoz-Chemieumfalls am Oberrhein der Fall war, sieht das Naturschutzforum kritisch. Die Gefahr für die ökologische wertvollen Seitenräume wird dabei außer Acht gelassen. Es muss vermieden werden, die Oder-Seitenräume zu früh als Flächenfilter zu nutzen und sie ebenfalls zu kontaminieren. Mitarbeiter von NaFor waren langjährig mit Biologen der Universität Poznan (Posen) daran beteiligt, dass der Nationalpark Slonsk – Kostryn entlang der Wartha ökologisch aufgewertet wurde. Sollten belastete Wasser- und Schlammfrachten sowie diffuse Schwebstoffe in Zeiten wiederansteigender Wasserstände in dieses wertvolle Wasservogelbiotop eindringen, könnte es zu eingeschleppten weiteren Belastungen oder Vergiftungen in Nahrungsketten kommen. Betroffen wären allein ca. 180 Tausend Wildgänse im Winterquartier, aber auch Tausende von Enten, Watvögeln, Reihern, Kormoranen, Bibern und die gesamte reiche Wasservegetation und Gehölze der Weichholz-Auenlandschaft. Es bedarf also schon jetzt im Kontaktbereich der Nebenflüsse der notwendigen Schwellen und Sperren, um die Lebensgemeinschaften ganzjährig zu schützen. Dazu zählt auch die gesamte Palette des Phyto- und Zooplanktons der Nahrungskette, die im Austausch mit dem Flussbett und Niederungsgründen steht.

[1] K.-H. Linne von Berg u.a. (2012): Der Kosmos-Algenführer, Franckh Kosmos Verlag, Stuttgart, 368 Seiten

Was ist jetzt zu tun? Zum einen sind kurzfristig Sofort-Maßnahmen umzusetzen, wie sie bereits in Regie der Bundesländer bzw. der Wojewodschaft Westpommern mit Unterstützung der Feuerwehren, des THW und der Vereine und Anlieger laufen. Das müsste jedoch besser koordiniert werden (in Polen wurde die Armee damit beauftragt). Zum anderen ist kurz- bis langfristig die gesamte Palette der Abwassertechnik zu installieren. Verendete Tiere sind weiterhin kontinuierlich einzusammeln und zu verbrennen. Bislang wurden mehr als 100 Tonnen Fischkadaver auf deutscher und polnischer Seite eingesammelt.

Notwendig ist ein Messstellennetz mit automatisierter Probenahme und Auswertung wichtiger Parameter wie bspw. Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit, Nitrat, Schwermetalle und organischer Schadstoffe, speziell Pestizide. Folgen muss eine unverzügliche Meldung erster Anzeichen von Belastungen an eine zentrale, internationale Expertengruppe, die die Situation umgehend bewertet und Informationen an die zuständigen Behörden und Gebietskooperationen (gem. EU-Wasserrahmenrichtlinie) auf beiden Seiten der Oder weiterleitet.

Ähnlich wie entlang der Küstengewässer üblich, bedarf es im Mündungsbereich der Seitengewässer effektiver Schleusungs- und Sperrsysteme, die aufsteigenden laichbereiten Organismen die Passage ermöglichen, die Seitenräume im Hinterland jedoch durch Sperrtore vor eindringenden Fluten aus Hochwasser-Ereignissen schützen. Hier verfügen die staatlichen Fachbehörden (StALU u.a.), Forschungsinstitute sowie Wasserverbände, aber auch zahlreiche Fischerei- und Angelvereine über einschlägige Erfahrungen und Anwendungsbeispiele.

Mittelfristig ist ein Programm zum Ausbau aller Kläranlagen im Einzugsgebiet der Oder zu konzipieren und umzusetzen. Das schließt auch die Steigerung der vorhandenen Klärstufen bis zum Ausbau von Absetz- und Schönungsteichen ein. Auf eine weitere Kanalisation der Oder ist zu verzichten. Bund und Länder haben auf diese Umweltkatastrophe an der Oder zu spät reagiert. Sie sind nun für die Revitalisierung verantwortlich, damit sich wieder lebensfähige Ökosysteme einstellen. Davon hängt auch die Zukunft des an die Oder gebundenen Tourismus, der Fischerei, des fischverarbeitenden Gewerbes und der anrainenden Viehhaltung ab, die zu entschädigen wären.  Wann das in welchem Umfang der Fall sein wird, bleibt abzuwarten und hängt auch vom politischen Willen ab, so die Meinung des Naturschutzforums.

Weitere Informationen unter www.nafor.de


Institutionen für den Bereich des westlich gelegenen Oder-Ufers:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV),10117 Berlin, www.bmuv.de  

Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (IKSO), Wrocław (Breslau), www.mkoo.pl

Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (MLUK), 14467 Potsdam, www.mluk.brandenburg.de

Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern, 19061 Schwerin, www.regierung-mv.de

Staatliche Ämter für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern (StALU), 17033 Neubrandenburg, www.stalu-mecklenburgische-seenplatte.de

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 12587 Berlin, www.igb-berlin.de

Institut für Binnenfischerei e.V., 14469 Potsdam-Sacrow, www.ifb-potsdam.de


Rückhaltung von Niederschlägen muss intensiviert werden

NaturschutzForum drängt auf schnellere Umsetzung

Hannover. Der ständige Wechsel zwischen extremen Wetterlagen und die fehlende Reaktion vieler Haus- und Grundeigentümer veranlasst das Naturschutzforum Deutschland (NaFor), zum wiederholten Male auf einfache Möglichkeiten zum Gegensteuern hinzuweisen. Man müsse das nur konsequent in die Tat umsetzen, mit gutem Beispiel vorangehen und nicht darauf warten, dass es schon andere richten würden. In vielen Gemeinden gebe es bereits Vorgaben zur Verrieselung des Dachwassers. Denn dieses Dachwasser würde durch die Bebauung dem Grundwasser vorenthalten, wenn es über die Kanalisation dem nächsten Wasserzug oder der Kläranlage zugeführt werde. Es sei denkbar einfach, die Fallrohre mit einer Schluckklappe oder Umleitung in den Garten zu versehen.

Niederschläge vom Dach können in Regentonnen mit Überlauf aufgefangen werden, auch in weiterem Abstand zum Wohngebäude (links). In einem größeren Garten lassen sich Niederschläge in einem Teich oder einer entsprechenden Mulde auffangen (rechts). Fotos: BSHnatur

Nach Auffassung des Präsidenten des Naturschutzforums, Prof. Helmut Schmidt, müsse jeder Flächeneigentümer dazu beitragen, das wertvolle Regenwasser in kleineren oder größeren Mengen vor Ort dem Grundwasser zuzuführen. Der Fantasie seien dabei keine Grenzen gesetzt, denn es ließen sich – je nach Platz – auch Regenfässer, Teiche oder Wasserkaskaden einbauen. Auch ehemalige Zisternen und Dreikammer-Klärgruben könnten  reaktiviert werden, um das Regenwasser z. B. für eine spätere Gartenbewässerung und Zuführung zum Grundwasser aufzufangen.

Darüber hinaus sollten auf allen kleinen und größeren Flächen zu tief ausgebaggerte Rinnen, Gräben und Vorfluter durch Schotter, Sohlschwellen oder niedrige Staus angehoben und Gewässer wieder zu mäandrierenden Haupt- und Seitengewässern rückgebaut werden. Besonders in der Verantwortung stünden hier die zahlreichen Wasser- und Bodenverbände, die bisher mehrheitlich eher agrarwirtschaftlichen Interessen zuarbeiten als im Sinne der Bevölkerung und beitragszahlenden Mehrheit zu handeln und für einen Biotopverbund zu sorgen.

Musste bislang nur der „ordnungsgemäße“ Wasserabfluss im Falle von Überschwemmungen gewährleistet werden, steht heute angesichts der zunehmenden Dürren mitten in der Vegetationsperiode die „ordnungsgemäße Wasserrückhaltung“ gleichberechtigt im Vordergrund aller Immobilienbesitzer, Wasserverbände, Behörden und des Gesetzgebers. Finanzieren ließe sich das durch anteilige Abwassergebühren, Wasserpfennige oder die Vorgabe, dass das Entwässerungsgeld zur Hälfte zum Rückbau verpflichtend durch die Verbände einzusetzen ist.

Rückgebauter Fluss mit zwei mehrere hundert Meter langen neuen Schleifen (Mäander) im Luftbild. Diese verlängern die Fließtrecke, so dass Flutwellen weiter unterhalb gelegene Orte erst deutlich später erreichen, also mehr Zeit für den Abfluss lassen und das Hochwasserrisiko mindern. Grafik im Ausschnitt: HWA / LGLN.

NaturschutzForum fordert Änderung der Wasserverbandsgesetzgebung

NaturschutzForum fordert in einem Schreiben an Minister Özdemir mehr demokratische Beteiligung der Bevölkerung

Wardenburg. In einem Schreiben an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, hat das Naturschutzforum Deutschland (NaFor) eine Anpassung des Bundeswasserverbandsgesetzes an die aktuelle Situation im Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Bodenverbände angeregt. Dies sei lange überfällig, so NaFor-Präsident Prof. Dr. Helmut Schmidt.

Die große Mehrheit der beitragszahlenden Grundbesitzer als „Zwangsmitglieder“ zugunsten der weiträumigen Entwässerung müsse über ein vereinfachtes demokratisches Mitwirkungsverfahren besser beteiligt werden. Bislang bestimme die flächenmäßige Betroffenheit über das Stimmrecht, also auch über den Haushalt und ökologisch wirksame Leistungen. Leider begünstige das aktuell gültige Gesetz aber die einseitige Besetzung von Vorständen (aktuelles Beispiel: 5 Mitglieder aus 5 Landwirten). Es müsse gewährleistet sein, dass auch Staatsforst, Naturschutzverbände und Bevölkerung im besiedelten Bereich gleichermaßen repräsentiert werden. Entsprechend sollten sich auch die Wasserbehörden der Länder, Landkreise und Kreisfreien Städte als Aufsichtsbehörden orientieren.

Zu novellieren wäre zum Beispiel § 13 des Wasserverbandsgesetzes (Feststellung der Beteiligten, Stimmenzahl). Er lautet in einer kaum vom einfachen Leser und Beitragszahler zu verstehenden Formulierung:

§ 13 (1) Für das Errichtungsverfahren hat die Aufsichtsbehörde die Beteiligten festzustellen. Sie hat ferner die auf jeden Beteiligten entfallende Stimmenzahl zu ermitteln. In einem Verfahren mit mehr als zwei Beteiligten hat kein Beteiligter mehr als zwei Fünftel aller Stimmen.

(2) Maßstab für die Festlegung der Stimmenzahl ist grundsätzlich der Vorteil, den der Beteiligte von der Durchführung der Verbandsaufgaben zu erwarten hat. Hat ein Beteiligter von der Durchführung der Verbandsaufgaben nur einen Nachteil zu erwarten oder überwiegt der Nachteil gegenüber dem zu erwartenden Vorteil, ist Maßstab für die Festlegung der Stimmenzahl der Nachteil. Eine annähernde Ermittlung des Vorteils oder Nachteils reicht aus.

Es besteht also zu Zeiten der Ampelkoalition dringender Handlungsbedarf für die Novellierung des Gesetzes, so das Naturschutzforum. Minister Özdemir wird gebeten, sich für die Änderungen einzusetzen.

Quelle: Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz – WVG)
G. v. 12.02.1991 BGBl. I S. 405; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 15.05.2002 BGBl. I S. 1578; Geltung ab 01.05.1991; FNA: 753-11 Wasserwirtschaft