Die Berücksichtigung von Natur- und Umweltschutz in den Wahlprogrammen der sechs größten Bundesparteien – ein kurzer Vergleich des NaturschutzForums Deutschland (NaFor)

Anlässlich der Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017:

Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) hat die Wahlprogramme derjenigen Parteien analysiert, die eine Chance auf den Einzug in den neuen Bundestag haben. Der Vergleich ergab Übereinstimmungen, aber auch deutliche Unterschiede.

Im Folgenden sind die aus Sicht des NaFor besonders charakteristischen Aussagen zu Natur- und Umweltschutz skizziert. Es sei betont, dass es sich um Wahl- und nicht um Regierungsprogramme handelt. Je nach politischer Konstellation wird es im Falle von Koalitionsverhandlungen darum gehen, im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes möglichst viele Aspekte vertraglich zu vereinbaren. Dennoch sind Wahlprogramme geeignet, die Prioritäten und Betonungen zu erkennen.

Unabhängig vom Wahlausgang wird das NaFor als Bundesnaturschutz-Dachverband auch in der kommenden Legislaturperiode   (2017 – 2021) die politischen Entscheidungen mit Relevanz für den Bereich Umwelt- und Naturschutz sorgfältig beobachten und kommentieren.

Die unten zusammengestellten Aussagen aus den Wahlprogrammen zu Umwelt- und Naturschutz-relevanten Themen dienen der Information und sollen dazu anregen, bei Bedarf weitere Details zu recherchieren. Eine Wahlempfehlung ist mit dieser Dokumentation nicht verbunden.

 

Zu den naturschutzrelevanten Aussagen in den Programmen:

 

CDU / CSU (Christlich Demokratische Union Deutschlands / Christlich-Soziale Union in Bayern) :“Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“

  • Im Vordergrund des Wahlprogramms stehen auf 75 Seiten Vollbeschäftigung, Landwirtschaft, Energiewende, Familien- und Kinderpolitik sowie Wohlstand und Lebensqualität. Der Umwelt- und Klimaschutz werden auf je einer Seite angesprochen.
    Dazu das NaFor: Symptomatisch ist nach Eingabe des Stichworts `Naturschutz´ die Rückfrage des Computers, ob man „Datenschutz“ meine, da der Begriff „Naturschutz“ nicht zu finden sei.
  • Zitat S. 68:“Langfristig muss ein großer Teil der fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas durch umweltfreundliche Energien ersetzt werden.“
    Dazu das NaFor: Anzumerken ist, dass gerade kleine Unternehmen, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien tätig sind, gegenüber den Mitbewerbern von der momentan regierenden großen Koalition erschwerte Produktionsbedingungen auferlegt bekommen haben.
  • Zitat ZEIT online 03. 07. 2017): „Hier können sie einfach nocheinmal ein bisschen träumen“
    Dazu das NaFor: Diese Aussage klingt nach Beliebigkeit und spiegelt vermutlich das relativ geringe Interesse der heutigen Wählermehrheit wider. Konkrete weiterführende Aussagen sucht der Leser vergebens. Stattdessen sind wiederholt allgemein gehaltene Passagen mit viel Eigenlob zu finden.
  • Zitat Wir sind ein Land mit einer unverwechselbaren Identität (mit leistungsfähiger Infrastruktur und intakter Umwelt), das seinen Menschen auch in stürmischer Zeit Heimat und Halt bietet.“ Und weiter: Heute leben wir im schönsten und besten Deutschland, das wir je hatten.“
    Dazu das NaFor: Diese beiden Zitate verdeutlichen die Handschrift von Werbeagenturen
  • Zitat: Weltweit wachsen Bevölkerung und Wohlstand“.
    Dazu das NaFor: Diese Aussage ist zu pauschal. Leider fehlen vergleichbare weiterführende Aussagen, ohne dass man sich gleich im Detail verlieren müsste.

 

SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands):Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: Zukunft sichern, Europa stärken“

  • Zwischen den Kapiteln „Familie, Pflege, Wirtschaft und Sozialstaat“ und den Handlungsfeldern Sicherheit, Migration und Europa wird unter der Rubrik Es ist Zeit für eine gesunde und saubere Zukunft“ auf Seite 48 (von 88) die Umweltgerechtigkeit angesprochen.
    Dazu das NaFor: Das erinnert an ältere schwedische Slogans vom „Jedermannsrecht auf Natur“ als Grundlage der Erholungswirksamkeit für den Menschen inmitten einer wenig gestörten vielfältigen wildlebenden Flora und Fauna mit „frischer Luft, gesunden Böden und sauberen Gewässern“.
  • Die wichtigsten natürlichen Ressourcen werden angesprochen, darunter  2% der Landesfläche umfassende Wildnisgebiete, umweltgerechte Fangmethoden in der Fischerei und eine konventionelle und ökologische Landwirtschaft, die auf Naturschutz, Klimaschutz und Tierwohl ausgerichtet ist. Die Agrarförderung soll sich nach öffentlichen Leistungen und dem Schutz der Natur richten, nicht allein nach dem Grad der Versorgungssicherheit.
    Dazu das NaFor: Hier wird der Begriff „Natur“, also die gesamte Biosphäre, über den der (auf den Menschen bezogenen) Umwelt gestellt – ganz im Sinne der Prioritäten des Verbandsnaturschutzes, bei denen der Mensch als „Mitwirbeltier“ ohne biologische Sonderstellung gilt. Zwar darf man fragen, was eine „saubere Zukunft“ ist, denn zu sauberen Landschaften zählen eher ausgeräumte monotone Areale wie kurzgehaltener Rasen („Chlorophyllasphalt“), doch der folgende Text klärt diesen Slogan auf.
  • Im Wahlprogramm ist auch von der Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 die Rede. Betont wird überdies, dass die Energiewende vollendet werden muss: Energie muss umweltfreundlich und bezahlbar sein. Gleichzeitig muss die verlässliche Versorgung gesichert bleiben.“Bestehende Stromleitungen sind effektiver auszulasten. Beim Umgang mit Atommüll wird auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung gesetzt.
    Dazu das NaFor: Insgesamt eine vage Aussage angesichts der politischen Mitverantwortung. Die Ausführungen geben  zahlreiche Hinweise auf eine sozialdemokratische Politik, die in der zu Ende gehenden Legislaturperiode teilweise durch Umweltministerin Hendricks realisiert wurde.

 

DIE LINKE: „Sozial. gerecht. Frieden für alle. Die Zukunft, für die wir kämpfen“

  • Das Programm ist mit 135 Seiten umfangreich; es enthält zahlreiche detailliert begründete Forderungen, darunter auch unter Abschnitt XIV („Menschen und Natur vor Profite – für eine soziale, ökologische und demokratische Wirtschaft der Zukunft“) eine 20-seitige Darstellung zum ökologischen  Umbau der Wirtschaft, Verbot von Fracking, Reduktion des Flugverkehrs und Mobilität für alle. Die Vielfalt der Natur und der Schutz der Tiere werden ebenso angesprochen wie Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft. Auf die zügige Umsetzung der nationalen Strategie für biologische Vielfalt wird verwiesen. „Naturschutzflächen gehören in öffentliche Hand und dürfen höhstens an Naturschutz- und Umweltverbände vergeben werden.“
    Dazu das NaFor: Die Öffentliche Zuständigkeit trifft zwar vielerorts bereits zu, doch wird leider häufig versucht, geschützte Areale für wirtschaftliche Interessen zu beanspruchen; insofern ist diese Aussage zu begrüßen. Allerdings bedarf es für Erhalt und Pflege öffentlicher Zuschüsse. Dem „Mut zur Wildnis“ sollte auch vermehrt entsprochen werden (hier wie bei der SPD: 2%), also darf die natürliche Sukzession sich selbst organisieren, es sei denn, es sollen Mähwiesen und andere Offenlandschaften erhalten werden. Zu fragen ist, ob Wildnis- und Urwaldflächen als Revitalisierungszentren nicht einen deutlich höheren Anteil einnehmen sollten.
  • Zuchtsauen sollen nicht in Kastenständen eingepfercht werden.
    Dazu das NaFor: Dies ist positiv, allerdings wäre das mit EU-Recht in Einklang zu bringen.
  • Federrupfung lebender Tiere und Zwangsfütterung (Stopfen) soll ebenso verboten werden wie der Naturpelzhandel.
    Dazu das NaFor: Die Verbote sind nachzuvollziehen, betrifft aber vielfach mehr den Import und Verkauf der Produkte.
  • Das Programm sieht die Erfassung von Entsiegelungspotentialen und das konsequente schnellere Umsetzen der EU-Wasserrahmenrichtlinie vor
    Dazu das NaFor: Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind für den derzeit  stagnierenden Gewässerschutz notwendig.
  • Konkret benannt werden beabsichtigte sofortige Verbote und Datenerhebungen besonders umweltschädlicher Pestizide wie Glyphosat und Neonikotinoide sowie Mikroplastik in Kosmetik, Reinigungs- und Pflegeprodukten. Für die Fischerei werden alternative Fangmethoden vorgeschlagen.  Für Energiesparlampen, Einwegbecher, Mobiltelefone und Fernseher soll ein Pfandsystem eingeführt werden, um die Sammelquoten zu erhöhen. Das Verursacherprinzip soll gesetzlich verankert werden. Dazu NaFor: Alles sinnvolle Maßnahmen, bei deren Realisierung mit Widerstand zu rechnen sein wird.

 

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN: „Zukunft wird aus Mut gemacht“

  • 24 Ziele aus dem Wahlprogramm geben Einblick in die Zielsetzung der GRÜNEN. Wie zu erwarten, stehen der Erhalt der Natur an erster Stelle.
    Dazu das NaFor:Das wird aus Verbandssicht sehr begrüßt, denn damit erhält der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen den für die Existenz des Menschen notwendigen hohen Stellenwert. Die meisten Ziele im grünen Wahlprogramm kommen damit den satzungsmäßigen Zielen der Verbände nahe. Allerdings stellt sich hier –  wie eingangs erwähnt – die Frage, wieviel davon in einer Koalition umgesetzt werden kann. Gerade die eindeutigen Forderungen der Umstellung einer nicht nachhaltigen Wirtschaft erfordern viel Verhandlungsgeschick in der sukzessiven Umsetzung. Da sind Abstriche unvermeidlich, sollte mitregiert werden. Aussagen wie „Wir retten das Klima“ lassen den Konjunktiv vermissen, aber das ist einem gut zu lesenden Programmtext geschuldet.
  • Zitat (Seite 164): „Wir machen das Internet frei und sicher“.
    Dazu das NaFor: Diese Feststellung ist eine Illusion. Man hat bislang den Eindruck, dass gerade auf dem IT-Sektor sicher ist, dass nichts sicher ist.
  • Notwendigkeit ökonomischer Veränderungen (Seite 40 ff)
    Dazu das NaFor: Die Forderungen im Hinblick auf die notwendigen ökonomischen Veränderungen sind realistisch, sollte das ein breiter gesellschaftlicher Konsens unterstützen. Das betrifft den Ausstieg aus der industriellen Landwirtschaft (incl. Massentierhaltung) in den nächsten 20 Jahren und die Kennzeichnung der Art der Tierhaltung auf allen Fleischprodukten ebenso wie den kompletten Umstieg auf grüne Energien  (Sonne, Wind, Wasser, Bioenergie, Erdwärme), ab 2030 eine allgemeine E-Mobilität und abgasfreie Neuwagen.

 

FDP (Freie Demokraten): „Schauen wir nicht länger zu.“

  • Die Gliederung der 86 seitigen Programms  umfasst mehr als 6 Seiten, die eine fast schon stichwortartige Themenübersicht gibt. Auch weist ein Stunden-Countdown bis zur Schließung der Wahllokale am 24. September auf die Bedeutung der Wahl hin. Der farbenfreudig gestaltete Titel reflektiert moderne Themen wie eine Digitalisierungsoffensive in Bildung (1.000 Euro-Technik- Investition  für Schüler, Weltbeste Bildung auch für Schüler mit Förderungsbedarf), bessere Geschäftsmodelle  und Verkehrswesen bei optimierter Infrastruktur. Die anderen Schwerpunkte betreffen die allgemein optimierte Digitalisierung („Open-Data und Open-Government-Strategie“, Datenschutz), Landwirtschaft (die sich auf der Grundlage der Selbstbestimmung rechnet) und mehr Mobilität. Grundsätzlich wird festgestellt: „Wir glauben an die Potenziale und die Energie jedes Einzelnen und an die Kraft der Freiheit…Stärken wir den Glauben der Menschen an sich selbst!“. Der zugehörige FDP-Terminus lautet: „German Mut“.
    Dazu das NaFor: Gerade die Naturschutzverbände wissen aus täglichen Erfahrungen, dass viele Mitmenschen zurückbleiben würden, wenn man nicht im Sinne des Gemeinwohls unterschätzen und fördern würde, weil sie es allein nicht schaffen. Aber auch sie gehören in das gemeinsam Boot. Wer Aussagen zum Natur- und Umweltschutz sucht, findet sie auf gerade mal 2 Seiten. Dies verwundert angesichts der Tatsache, dass sich gerade auf kommunaler Ebene zahlreiche FDP-Mitglieder für die Natur und Landschaft engagieren. Die magere bundesprogrammatische Berücksichtigung dieses für die Existenz und das Alltagsleben der Bevölkerung bedeutsamen politischen Feldes, ist bedauerlich. Das begründet sich vielleicht in der weniger positiven Einstellung der anvisierten Wahlklientel (z.B. Handwerk, Landwirtschaft) gegenüber dem Naturschutz, da Umweltauflagen als Hemmnis in der betrieblichen Entwicklung gesehen werden, ohne die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen gegenüber natürlichen Ressourcen zu akzeptieren, es sei denn, sie geschehen freiwillig. Die Erfahrungen vor Ort sprechen aber dagegen.

 

AfD (Alternative für Deutschland): Programm für Deutschland“

  • Die Untertitel des 74-seitigen Bundeswahlprogramms der AfD zeigen die Schwerpunkte auf. Zu Anfang werden Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild  und die Eindämmung des Lobbyismus gefordert, Aspekte, denen gelegentlich  auch bei der  Naturschutz-Arbeit begegnet wird. Die Familienförderung nimmt mit 5 Seiten einen hohen Stellenwert ein.
    Dazu das NaFor: Volksabstimmungen können für die Umsetzung von Naturschutz-Interessen vorteilhaft sein. Je mehr sie aber lokale Interessen betreffen, desto eher gibt es auch Ablehnungen. Da helfen  dann die europaweit geltenden Vorgaben der EU-Richtlinien. Dass der Bevölkerungs-Rückgang hinsichtlich der ökologischen Fußabdrücke und Schonung von Ressourcen positiv ist, stellen gerade der CLUB OF ROME und die Universität Lund (PM v. 15. 07. 2017) heraus – ganz im Gegensatz zur AfD..
  • Das Kapitel „Schluss mit der Technologiefeindlichkeit: Energie und Klima“ beginnt mit dem Satz, dass Kohlendioxid kein Schadstoff, sondern eine unverzichtbare Voraussetzung für das Leben ist.
    Dazu das NaFor: Diese Ansicht ist nicht falsch, aber irreführend, da von der Konzentration abhängig.
  • Die Dekarbonisierung soll laut AfD beendet werden, das Pariser Klimaabkommen ist zu kündigen, Ökostrom wird nicht mehr subventioniert. „Die bestehenden Kernkraftwerke wollen wir deshalb nicht vor Ende ihrer Nutzungsdauer außer Betrieb nehmen. Die verwertbaren Kernkraftwerk-Reststoffe müssen für das Recycling rückholbar gelagert werden“.
    Dazu das NaFor:
    Es wird heute bereits beim KKW-Rückbau recycelt, aber das Atommüll-Problem ist ungelöst und wird der Nachwelt die nächsten 200.000 Jahre beschäftigen. Welch eine unverantwortliche Technik verweist dann auf die kurze Nutzungsphase in diesen Jahrzehnten und verpflichtet Hunderte von Generationen nach unserer Zeit, auf Reste aus der historischen Atomstrom-Produktion aufzupassen. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung bezüglich der Gefährlichkeit und Kosten ununterbrochen die Unwahrheit gesagt worden ist. Auch der KKW-Rückbau wird Milliarden kosten, Geld, das im Strompreis nicht enthalten ist.
  • Was die Umweltzonen anbetrifft, sollen sie abgeschafft werden. Dieses Schicksal ist auch der Förderung der Windenergieanlagen zugedacht (energiepolitischer Irrweg, Ausbau stoppen), Betont wird die „verheerende“ Wirkung von Windkraftanlagen auf geschützte Vögel und Fledermäuse sowie gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen. Ganz am Schluss geben 2 Seiten Hinweise zum Umwelt-, Natur- und Tier- und Verbraucherschutz.
    Dazu das NaFor: Der Mix regenerativer Energien incl. Windkraft ist unverzichtbar. Die Schäden werden gegenüber den abgaseinsparenden Effekten unverhältnismäßig groß ins Bild gesetzt.
  • Die AfD nimmt explizit Bezug auf die kleinteilige Wasserversorgung durch Kommunen und Zweckverbände.
    Dazu das NaFor: Dies ist sinnvoll
  • Die AfD versteht Umweltpolitik als „Querschnittsaufgabe“
    Dazu das NaFor: Wir lehnen es ab, wenn die Umweltpolitik als „Querschnittsaufgabe“ in vielen Ressorts lediglich im Mitnahmeeffekt berücksichtigt werden soll.
  • Die AfD fordert ein Mehr an Gewerbeaufsicht, Lebensmittelkontrolle, würdevolle Behandlung von Tieren, Ablehnung des Schächtens (Ausnahmegenehmigung für Schlachten ohne Betäubung) und die Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft.    Dazu das NaFor: Diese Forderungen erscheinen sinnvoll