Bremen. Der Koalitionsvertrag der neuen CDU/SPD-Regierung ist unterschrieben. Vom eigentlichen Naturschutz ist kaum die Rede, sieht man mal von der Fortsetzung der bisherigen Politik ab. Stattdessen stehen Maßnahmen des technischen Umweltschutzes zugunsten der Energiewende im Vordergrund, durchaus wichtig, jedoch nur ein Aspekt drängender Probleme. Dazu stellt die Präsidentin des NaturschutzForums Deutschland (NaFor), Liesa-Marlena von Essen, fest, dass sich die ungleiche Gewichtung beider Ressorts schon im Verhältnis von einer halben Seite zu mehr als elf Seiten darstelle. Das zeige die Nähe der SPD-Verhandlungsführer zur Politik der Steinkohle und den großen Energieversorgungskonzernen jenseits von Gedanken zum verstärkten Erhalt von Flussauen, Feuchtbrachen und Saumbiotopen – zumal versammelt im Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel, dem es hier primär um Arbeitsplätze gehen dürfte. Laut Koalitionsvertrag sollen laufende Förderprogramme und internationale Verpflichtungen eingehalten werden. Dies ist ebenso nichts Neues wie der Hinweis darauf, Biodiversitätsstrategien fortzusetzen. Von Seiten des nichtstaatlichen Naturschutzes wird schon seit Jahren ein naturgeschützter Flächenanteil von mindestens zehn Prozent gefordert. Die EU verlangt ab 2014 agrarische Flächenstilllegungen von fünf Prozent. Im Koalitionsvertrag ist allerdings nur von einem zwei Prozent Wildnis-Ziel und einem fünf Prozent Ziel für natürliche Waldentwicklung die Rede. NaFor hofft, dass die Vereinbarung, bis 2020 diverse Flächen als „Nationales Naturerbe“ aus der militärischen Nutzung herauszunehmen zugunsten von Wildnis und natürlicher Waldentwicklung, tatsächlich umgesetzt wird und zur gezielten Förderung bedrohter Arten und Lebensgemeinschaften führt. In Deutschland haben in der Vergangenheit gerade militärische Übungsplätze und die Staatsforsten zu einer Bewahrung naturnaher Biotope beigetragen. Der neuen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks wünscht Präsidentin von Essen im Namen des NaturschutzForums Deutschland eine glückliche Hand, Durchsetzungsvermögen im neuen Kabinett und viel Erfolg bei der Förderung von Natur und Landschaft zwischen Alpen, Nord- und Ostsee. Angesichts der leistungsfähigen Naturschutzarbeit in Nordrhein-Westfalen während der letzten Jahrzehnte in Regie des Landesamtes für Natur (LANUV) ist zu hoffen, dass das Bundesministerium für Umwelt mit der neuen Ministerin aus dem Stillstand und der Zukunftsvergessenheit im Naturschutz herausfinden wird. Barbara Hendricks war in den neunziger Jahren Ministerialrätin im Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, kennt diese Szene also aus eigener Tätigkeit.