Mehr Gehölzpflanzen gegen Winderosion

NaturschutzForum erinnert an Wiederbewaldung (zu) großer Ackerfluren

Die Massenkarambolage auf der A 19 bei Kavelstorf südlich von Rostock, bei der am 8. April mehr als 100 Autofahrer verletzt, 8 tödlich verunglückt sind, nimmt das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) zum Anlass, an die ordnungsgemäße Landwirtschaft zu erinnern. Denn Ursache waren primär nicht die Geschwindigkeiten der Autofahrer, sondern die sand- und humusbeladenen Verwehungen von großflächigen Äckern durch starke Westwinde. Obwohl die Sandstürme hier regelmäßig auftreten, wird erst heute davor gewarnt und Tempo 60 vorgeschrieben. Im Gegensatz zu Hagelschauern, die Straßenabschnitte gelegentlich zu gefährlichen sommerlichen Eisbahnen verwandeln, sind die lokalen Sand-Verwehungen regelmäßig wiederkehrende Ereignisse.

Dieses Phänomen ist im Zusammenhang mit der Bodenbearbeitung seit Jahrhunderten bekannt, vor allem auf den sandigen Böden der Geest. Verschwinden die Gehölze, steigt die Gefahr durch Sandverwehungen deutlich an. Im Nordwesten Deutschlands und an der Kurischen Nehrung verschwanden im Mittelalter ganze Dörfer oder Wälder unter Wanderdünen, dann wurde das weitere Kahlholzen der Landschaft durch die Regenten unter Strafe gestellt.

Mit der kollektiven Einrichtung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) im Osten und deren Nachfolge-Betrieben kam es zur flächenhaften Ausräumung der Landschaft. In den Hildesheimer und Magdeburger Börden standen die Zeichen im Sinne wirtschaftlicher Interessen wie des Zuckerrübenanbaus schon immer auf Großflächigkeit, deren Löss-Böden sind jedoch weniger verdriftungsanfällig. Aber auch hier verschwanden immer mehr wichtige Lebensräume wie für Feldhamster und Grauammer. Deshalb gab es viele Wiederaufforstungsprogramme, um den Waldanteil zu heben oder die Kammerung der freien Landschaft zu fördern.

Den zuständigen Ministerien, Landesämtern für Naturschutz, Landwirtschaftskammern und Agrarstrukturämtern ist diese Gefährdung des Bodens, der Landschaft und der durchreisenden Autofahrer auch jahrzehntelang bekannt. Im Falle des Neubaus der mecklenburgischen Autobahnen wurde allerdings nicht dafür gesorgt, dass das mit der Wende unterbrochene Ansiedlungsprogramm des vormaligen Bezirks aus dem Jahre 1979 für Schutzpflanzstreifen in einer Länge von 1400 km konsequent fortgeführt wird, da es erst zur Hälfte realisiert war. Somit ergibt sich in winderosions-betroffenen Gebieten neuer Handlungsbedarf für Autobahnämter und Flurneuordnung.

Das NaturschutzForum Deutschland erinnert an die Leitlinien „Ordnungsgemäße Landbewirtschaftung“ und die Vorgaben der Naturschutz- und Waldgesetzgebung. Neben dem Appell, freiwillige Gestaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für Windschutzanlagen, Feldgehölze und Feuchtzonen durchzuführen, wird darin auch die Anlage weiträumig vernetzter Saumbiotope empfohlen. Sie ermöglicht neben den erosions-bremsenden Effekten auch die Förderung der natürlichen Gegenspieler der wirtschaftlich unerwünschten „Schädlinge“ und der Erholungswirksamkeit unserer Landschaft.

Info-Hinweis zu einigen Quellen:

Hunfeld, Frauke u.a. (2011): Die Höllenwand (Tod auf der Autobahn).- stern 16, 106-116

DPA, DDP, NWZ (2011): Erneut Sandsturm auf Autobahn 19/ Keine Ermittlungen gegen Bauern nach Massenunfall / Nur noch Tempo 60 nach Massenunfall. – 13.,14., 18. April

Wiepking-Jürgensmann, Friedrich (1942): Landschaftsfibel.- 343 S., Deutsche Landbuchhandlung, Berlin (mit ablehnenden Hinweisen zur Gefährdung und Degradierung der Landschaft durch großflächige Eingriffe – siehe Autobahn-Neubau).

Liesa von Essen