Der Flächenerhalt ist bei Löschungen von Schutzgebieten vordringlich

Naturschutzforum fordert eine Kompensation auch kleinerer Flächen

Norden. Seit Jahrzehnten bedienen sich bestimmte Kommunen bei Flächenbedarf für andere Planungen der (teilweisen) Löschung von Schutzgebieten. Betroffen sind oft kleinflächige Landschaftsschutzgebiete, durch die Dürre der letzten Jahre trockengefallene Flächen oder auch ältere Landschaftsschutzgebiete, wie z.B. die in den 30er Jahren gem. Reichsnaturschutzgesetz ohne spezifische Angaben zum Biotopcharakter unter Schutz gestellten Areale. Argumentiert wird damit, dass die oft geringen Flächengrößen der LSGs (0,2 bis 21,2 ha), verglichen mit dem statistischen Landesdurchschnitt laut NLWKN von 805 ha, einen Landschaftsschutz nicht rechtfertigen. Auch die Abwesenheit von Rote-Liste-Arten wird als Argument zur Löschung hinzugezogen.

Das Naturschutzforum Deutschland (NaFor) hält diese schon seit Jahrzehnten zu beobachtende Praxis für nicht akzeptabel und kritisiert, dass es sich manche Kommunen zu leicht machen, wenn sie diese LSG-Flächen als Vorhalteflächen für andere Funktionen betrachten. Je kleiner die Flächen, umso eher naht das Ende, manchmal mit dem Hinweis, dass kleine Temporärgewässer beispielsweise gem. § 30 BNatSchG doch ohnehin gesetzlich geschützte Biotope seien. Nur wird dieser Schutzstatus anders als der Landschaftsschutz nirgendwo öffentlich gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass die Löschung kleiner LSGs häufig nicht kompensiert wird, sondern Flächen ohne Ausgleich und Ersatz aus dem Schutzstatus herausgenommen werden. Oft dürften auch wirtschaftliche Interessen von Anliegern oder politischen Entscheidungsträgern den Löschungsdruck erhöhen.

Der Wert jahrzehntealter Schutzgebiete mit extensiver Bewirtschaftung oder als sich selbst überlassenen Ruhezonen liegt vor allem auch in der ungestörten Entwicklung des Bodenlebens mit Entstehung natürlicher Nährstoffkreisläufe. Vorrangiges Ziel muss es daher sein, diese Flächen zu erhalten. Lässt sich eine Löschung von Schutzgebieten nicht vermeiden, dann sollte die Kompensation mit einer nach Größe und Funktion vergleichbaren Fläche in unmittelbarer Nähe zur allgemeinen Praxis werden. Ursprünglich wurden Kompensationen bis zum Doppelten der in Anspruch genommenen Fläche auferlegt. Inzwischen wurde das auf 1:1 oder darunter reduziert.

Nach Auffassung von NaFor sind Berechnungsmodelle zur Kompensation wie das Osnabrücker Modell nur bedingt hilfreich. Denn die Vergabe von Punkten zum Ausgleich ökologischer Wertigkeiten hilft dann wenig weiter, wenn die Bestandsaufnahmen lückenhaft sind oder zum Beispiel eine Orchideenwiese durch Neuanpflanzungen von Gehölzen ausgeglichen wird, zumal noch nicht einmal garantiert werden kann, dass diese sich dann auch planmäßig entwickeln.

An die Adresse von Genehmigungsbehörden appelliert das NaFor deshalb, den Gesamtbestand an geschützten Flächen möglichst unangetastet zu lassen oder aber durch angemessene Hilfsmaßahmen zu regenerieren. 

Zur Löschung vorgesehene LSG-Fläche zugunsten einer Erweiterung von Stellplätzen für Reisemobilde. Als Ausgleich sind Blühstreifen und eine Wiese vorgesehen (mit erfahrungsgemäß unsicherer Zukunft). (Quelle: Landkreis Osnabrück, Fachdienst Umwelt 2022)

NaturschutzForum Deutschland (NaFor) unter neuer Leitung

Professor Dr. rer. nat. Helmut J. Schmidt zum Präsidenten gewählt

Kaiserslautern. Auf der virtuellen Jahresvertreterversammlung am 11. Januar wurde Professor Dr. rer. nat. Helmut J. Schmidt einstimmig als neuer Präsident von NaFor gewählt. Sein Studium der Biologie und Chemie in Münster und Vancouver/Kanada schloss er mit der Promotion und Habilitation in Zoologie ab. Dem Ruf auf eine Professur für Ökologie (Schwerpunkt molekulare Ökologie) folgte er an die TU Kaiserslautern. Hier wurde Helmut Schmidt für 18 Jahre und drei Amtszeiten zum Präsidenten gewählt. Auch war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Protozoologie und für 10 Jahre der Vorsitzende des Obersten Beirats für Landespflege am Umweltministerium Rheinland-Pfalz. Heute engagiert er sich u.a. für den Biotopschutz an seinem zweiten Wohnort in Ostermarsch / Ostfriesland. 

Als Präsident von NaFor wird sich Helmut Schmidt künftig dafür einsetzen, die ökologischen Belange als bedeutender Teil der Naturschutz- und Klimapolitik von NaFor im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten gemeinsam mit den Mitgliedsverbänden voranzutreiben.

Der bisherige Präsident Prof. Dr. Remmer Akkermann (BSH Wardenburg/Oldb.) war aus Altersgründen zurückgetreten. Seine Kandidatur als Vizepräsident von NaFor erfolgte anschließend. Remmer Akkermann teilte mit, dass er die Verbandsarbeit, im Besonderen die Aktivitäten seines Nachfolgers, bestmöglich unterstützen werde. Er dankte allen Mitgliedern für die langjährige Zusammenarbeit, darunter auch der Bundesgeschäftsführerin Dr. Martine Marchand (Bremen) und der Pressereferentin Miriam Buhl (Hamburg). Frau Dr. Kerstin Elbing (VBIO Berlin) dankte Akkermann im Namen der anderen Mitgliedsvereine und Fachvertreter für seine 20-jährige Tätigkeit bei NaFor.

Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) ist ein Zusammenschluss von Natur- und Umweltschutzvereinigungen, die bei Vorgängen nach dem Bundesnaturschutzgesetz und Bundesimmissionsschutzgesetz beteiligt werden und zu Planverfahren eine Stellungnahme abgeben möchten. Das wird auch daraus ersichtlich, dass NaFor als Dachverband mit einer bundesweiten Zuständigkeit in der vom Bundestag geführten Liste der anerkannten Verbände eingetragen ist. Mitglied können Vereine werden, die satzungsmäßig ähnliche Ziele zugunsten von Natur und Landschaft verfolgen – nachzulesen unter: https://www.nafor.de/satzung/. Der Jahresbeitrag ist minimal, was sich daraus erklärt, dass die Verwaltung ehrenamtlich arbeitet. 

Prof. Dr. rer. nat. Helmut J. Schmidt. Foto: View/TUK, Reiner Voss
Die Umweltverträglichkeit von Windenergieanlagen wird vor allem entlang der Leitungstrassen ein wichtiges Thema sein. Foto: BSHnatur

Die Knoblauchkröte und ihre Lebensräume

Wer nach Lurchen oder Amphibien gefragt wird, denkt wohl zuallererst an Laubfrösche, Grasfrösche und Erdkröten, vielleicht auch an Molche wie Teich- und Kammmolche. Unter den Kröten kommen im Nordwesten auch die Kreuzkröten noch gelegentlich vor. Diese bevorzugen sandige Gebiete wie auf alten Dünen sowie Abbaugebiete zur Sandgewinnung neben binsenbewachsenen Wassertümpeln, wo die doppelten Laichschnüre abgelegt werden.
Wenig bekannt ist dagegen die Knoblauchkröte. Auch auf diese heimliche Bewohnerin unserer Wasserlandschaften aufmerksam zu machen, ist das Verdienst der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) mit ihren Aktionsvorschlägen von Andreas Nöllert sowie den Vollzugshinweisen zum Schutz von Amphibien- und Reptilienarten in Niedersachsen von Richard Podloucky (NLWKN, s.S.4). Hier sind wichtige Angaben zur Biologie und zu den Lebensraumansprüchen dieser Art zu finden, die zum besseren Verständnis beitragen.

Das vollständige Ökoportrait finden Sie hier.


Artenschutz und Biotopverbund sind wichtige Aspekte im Koalitionsvertrag

Naturschutzforum Deutschland begrüßt die Vorgaben zu Umwelt- und Naturschutz

Berlin.  Natur- und Umweltschutzorganisationen haben weltweit und jahrzehntelang vor dramatischen Veränderungen gewarnt, wie sie inzwischen eingetreten sind. Denn der Schutz der Biosphäre, der Erhalt ungestörter Ruhezonen, die Funktionsfähigkeit von Chlorophyll und der Verzicht auf synthetische Stoffe, die verdrängen, vergiften oder aufheizen, sind Grundbedingungen für das Überleben des Menschen. Alle anderen Gesichtspunkte müssen sich dem unterordnen. Daraus ergibt sich auch das Primat von Natur- und Artenschutz vor den Maßnahmen des Menschen-zentrierten Umweltschutzes. Natur und Landschaft benötigen uns Menschen nicht, wohl aber sind wir abhängig vom Wohlergehen der Gesamtheit aller wildlebenden Pflanzen- und Tierarten, einschließlich der landwirtschaftsrelevanten alten und modernen Nutztiere und Kulturpflanzen.

Diese vorangestellten Grundsätze zeigen, dass alle Nutzer von Boden, Wasser und Luft sich rücksichtsvoll verhalten und ihre Tätigkeiten entsprechend ständig mit der Naturverträglichkeit abstimmen müssen. Um das zu erreichen, bedarf es dringend entsprechend entschlossener Programme im politischen Bereich – und zwar auf allen gesetzgebenden Ebenen, von jener der Städte und Gemeinden über die Länder bis hin zu den Bundes- und EU-Einrichtungen. Derartige Programme zügig umzusetzen, wurde leider jahrzehntelang zu langsam oder gar nicht betrieben. Denn Natur-, Klima- und Artenschutz wurde viel zu lange nicht als existentiell bedeutsame Querschnittsaufgabe gesehen und entsprechende Initiativen fanden unter Politikerinnen und Politikern sowie in Gremien keine Mehrheiten. Nun drängt die Zeit und es muss gemeinsam und schneller gehandelt werden. Nach Auffassung des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) müssen alle naturschutzrelevanten Entscheidungsträger zusammenarbeiten, ohne traditionelle Vorbehalte und Meinungsverschiedenheiten weiter auszutragen.

Dieser Dringlichkeit von Natur-, Klima- und Artenschutz trägt der Koalitionsvertrag der SPD, Grünen und FDP im neugewählten Bundestag nach erster Einschätzung des NaturschutzForums vollauf Rechnung. Schon der Umfang der Ausführungen zu umweltrelevanten Themen zeigt dies. Die Kapitel „Umwelt- und Naturschutz“ sowie „Landwirtschaft und Ernährung“ umfassen 12 Seiten. Erfreulich ist aus Sicht von NaFor, dass das Auslaufmodell Atomindustrie nur auf etwa einer halben Seite Erwähnung findet. Denn trotz Klimakrise und dringend nötiger CO2-Reduktion rechtfertigen die fatalen Auswirkungen des ungelösten Atommüll-Problems auf zukünftige Generationen keine weitere Unterstützung dieser Technik.

Titelseite des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen, FDP

Sollte die künftige Regierung den 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag mit dem Namen „MEHR FORTSCHRITT WAGEN“ in die politisch-gesetzgeberische Tat umsetzen, so stehen der bundesdeutschen Bevölkerung maßgebende zukunftsorientierte Veränderungen im täglichen Leben ins Haus. Die Gewinnung alternativer Energien aus den Kategorien Windkraft, Erdwärme, Wasserstoff, norwegischer Wasserkraft und Solar sollen intensiv und beschleunigt mit entsprechenden Leitungen ausgebaut werden. Aus Sicht des NaturschutzForums sollten allerdings in Deutschland Solaranlagen primär auf den Dächern installiert werden und wegen des Flächenbedarfs nicht als Großanlagen im Außenbereich entstehen. Auch bei der Biogasgewinnung auf der Grundlage von Mais müssen aus NaFor-Sicht Beschränkungen her. Denn die Ausbringung der Güllereste aus diesen Anlagen beeinträchtigt das aerobe Bodenleben erheblich. Die humusbildende Mesofauna (aus z.B. Hornmilben und Regenwürmern) ist dringend zu erhalten, um die Bodenfruchtbarkeit nicht langfristig zu gefährden.

In allen Ministerien muss der Natur-, Klima- und Artenschutz als Querschnittsaufgabe angesehen werden. Alle Gesetzesentscheidungen müssen mit diesen Zielen vereinbar sein. Angesichts des Vorschlags, das Ministeramt Steffi Lemke aus Dessau (Sachsen-Anhalt, Sitz des Umweltbundesamts) zu übertragen, sind die Aussichten auf Realisierung nicht gering. MDR.de meldet am 26.11.2021, Lemkes Herzensthema sei der Artenschutz, und zitiert aus ihrem Wahlkampf: Sollte ihre Partei nach der Bundestagswahl mitregieren, sagte sie damals, wolle sie ein milliardenschweres Renaturierungsprogramm auflegen. Deutschland habe international schließlich eine ‚besondere Verpflichtung‘ für den Erhalt von Biotopen, erklärt Lemke. Der Artenschutz sei zudem eng mit dem Klimaschutz verbunden. Umso wichtiger sei es ihr, dass der Transformationsprozess in der Strukturwandelregion … gut gelinge. Aber auch, dass die Menschen vor Ort mitgenommen würden und ein sozialer Ausgleich geschaffen werde.“

Das Naturschutzforum Deutschland sieht zahlreiche Inhalte seiner eigenen satzungsmäßigen Ziele im Koalitionsvertrag der drei Parteien verwirklicht. Der Vertrag bringt zum Ausdruck, dass die gesamte Bevölkerung aufgerufen ist, ihre Zukunft im jeweiligen Einflussbereich selbst mitzugestalten – bei der Arbeit ebenso wie im Privaten, gleich ob Alt und Jung, wo auch immer in Deutschland zu Hause – getragen von der „Zuversicht, dass dies gemeinsam gelingen kann“ (Präambel des Koalitionsvertrages).

Das Naturschutzforum Deutschland unterstützt alle Bestrebungen der neuen Regierung, den anvisierten Fortschritt im Verbund mit möglichst vielen Mandatsträgern zu wagen.

Prof. Dr. Remmer Akkermann, Präsident und

Dr. Martine Marchand, Bundesgeschäftsführerin

Schützenswerte Natur und Landschaft in Deutschland
Fotos: BSHnatur

Naturschutzforum-Mitglied BSH mit neuem Vorsitzenden

Der Vegetationskundler Rainer Buchwald (Universität Oldenburg) einstimmig gewählt

Wardenburg.  Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) unterhält im niedersächsischen Wardenburg südlich von Oldenburg eine Bürogemeinschaft mit dem Mitgliedsverband Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems (BSH). Wichtige Dokumente aus der Verbandsbeteiligung werden im Bereich Ökologische Planung, Erneuerbare Energien und Geographische Informationssysteme (GIS) der Uni Oldenburg archiviert, ebenso im Niedersächsischen Landesarchiv-Abt. Oldenburg. Das spart Verwaltungskosten und sorgt darüber hinaus für eine öffentliche Verfügbarkeit der Dokumente, während sich NaFor auf seine Funktion als koordinierender Dachverband konzentrieren kann.

Beim Mitgliedsverband BSH standen anlässlich der jüngsten Mitgliederversammlung in Wardenburg Vorstandswahlen an. Fünf Vorstandsmitglieder wurden dabei verabschiedet, die die BSH in 45 Jahren mitgestaltet haben, darunter der Vorsitzende Prof. Dr. Remmer Akkermann, seine Stellvertreterin Dr. Ursula Biermann und Prof. Dr. Heiko Brunken sowie Stefanie Gronewold und Heike Loschinsky. Diese konzentrieren sich nun auf ihre weiteren Aufgaben, z.B. in Naturschutzstiftungen, im Rahmen der Förderung von Biotopverbundsystemen, der Tätigkeiten in einem botanischen Zentrum, einem Planungsbüro sowie der Kooperation mit brasilianischen Institutionen.

Zum neuen Vorstand gehören nunmehr mit Dr. Rainer Buchwald ein Professor für Vegetationskunde und Naturschutz (Oldenburg), spezialisiert auch als Libellenkundler, der Immissionsexperte und Gewerbelehrer Uwe Behrens (Amelhausen), die Juristin May Brandt (Berlin) sowie die drei Beisitzerinnen Dr. Sabine Baumann (Biologin aus Wardenburg), Sina Ergezinger (M.Sc. Wasserwissenschaften, Minden), Dr. Sarah Paschelke (Pädagogin, M.A., Sandkrug). Als ehrenamtliche Geschäftsführerin und Kassenwartin erhielt die Biologielehrerin und Kommunalparlamentarierin Christiane Lehmkuhl ein einstimmiges Votum.

Zukünftig soll der Schwerpunkt der BSH-Arbeit – auch in Rücksprache mit NaFor – auf fachlich qualifizierten Einzelveranstaltungen ohne Terminzwänge liegen. Die Kooperation mit befreundeten Verbänden soll weiterhin bestehen bleiben, um Fachveranstaltungen einem in regionaler Breite interessierten Publikum anzubieten. Die gemeinsame Herausgabe von Merkblättern, Ökoporträts und der Reihe „Norddeutsche Biotope“ soll unregelmäßig in Printform und im Internet fortgeführt werden. Noch in diesem Jahr erscheint eine Kurzdarstellung zur Knoblauchkröte, aufzurufen unter www.nafor.de sowie www.bsh-natur.de , zu erreichen unter verwaltung@nafor.de

BSHnatur

Der neugewählte Vorstand des NaFor-Mitgliedsverbandes BSH – von links: Dr. Sarah Paschelke, Uwe Behrens, Prof. Dr. Rainer Buchwald, May Brandt, Christiane Lehmkuhl, Dr. Sabine Baumann, Sina Ergezinger. [Foto: BSHnatur]


Waldbericht 2021: Massive Schäden in Deutschlands Wäldern

VBIO – Aktuelles aus den Biowissenschaften  8 / 2021 (Auszug)

Waldbericht 2021: Massive Schäden in Deutschlands Wäldern: VBIO

Barneführer Holz, Foto: BSHnatur

Die Folgen des Klimawandels haben in den vergangenen Jahren deutliche Spuren in Deutschlands Wäldern hinterlassen. Die starken Stürme in den Jahren 2017 und 2018, die extreme Dürre und Hitzewellen in den Jahren 2018 bis 2020 sowie die massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern haben zu massiven Waldschäden geführt, heißt es in einer Unterrichtung der Bundesregierung (19/31700) zum Waldbericht 2021.

Demnach weisen nahezu alle Hauptbaumarten sogenannte Vitalitätseinbußen und Schadsymptome auf. Vor allem Fichten auf schlecht mit Wasser versorgten Standorten sterben großflächig ab. Auf Grundlage einer Länderabfrage mit Stand 31. Dezember 2020 sei von einer geschädigten Waldfläche von insgesamt 277.000 Hektar auszugehen, die wieder bewaldet werden müsse.

Durch die zum Teil erheblichen Schäden seien in einigen Regionen die Waldbestände und damit wichtige Waldfunktionen, wie der Erhalt von Wasser- und Bodenschutz, aber auch die Klimaschutzwirkung und die Kohlenstoff-Senkenfunktion erheblich beeinträchtigt, heißt es weiter.

Der Bericht bietet auf 57 Seiten einen Überblick über die Situation des Waldes in Deutschland, thematisiert die Waldschäden der Jahre 2017 bis 2021, führt die national getroffenen Maßnahmen zur Waldpolitik auf und stellt darüber hinaus die internationale und europäische Waldpolitik Deutschlands dar.


Hochwasser – Ursachen und Vorbeugung

NaturschutzForum fordert auch innerhalb von Ortschaften mehr Platz für Fließgewässer

Oldenburg.  Seit Jahrtausenden leben Menschen an Fließgewässern und haben seitdem mit unregelmäßig wiederkehrendem Hochwasser zu tun. Solange sich Überschwemmungen in Niederungswiesen und Bruchwäldern ausdehnen, sind sie aus Sicht des Naturschutzes willkommen. Beispiele wie der Nationalpark Warthe-Mündung (Polen) zeigen, dass Hochwasser meterhoch in die Niederungen fließen kann, ohne Landwirtschaft oder Siedlungen zu gefährden. Das funktioniert jedoch nur mit Flutungsflächen ohne jegliche Bebauung.

In Deutschland sieht die Situation anders aus, wie die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 zeigte. Über 180 Menschen verloren ihre Leben, ganze Dörfer wurden durch die Wassermassen zerstört. Die Schäden sind immens.
Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) ist in Gedanken bei den Menschen in den betroffenen Gebieten und wünscht allen, die dort trauern, und allen, die dort vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, viel Kraft.

Was ist aus dieser Katastrophe zu lernen? Was ist seit Jahrzehnten hier in Deutschland bei der Flächennutzung in die falsche Richtung gelaufen? Nach Auffassung des NaturschutzForums ist ein wesentlicher Faktor der immer stärker werdende Druck auf Kommunen, freie Flächen im Außenbereich für Siedlungen, Gewerbe und Industrie zu bebauen, den Status von Schutzgebieten zu löschen, Sand- und Kiesentnahmen nicht angemessen zu kompensieren und Grünland in Ackerland umzuwandeln.

Waren noch in den 80er Jahren 200-jährige Hochwasserspitzen der allgemeine Bewertungsmaßstab für Hochwassergefahren, so reduzierte man das – politisch gewollt – auf nur noch 100-jährige Hochwasser. Das sparte Ausbau- und Vorsorgekosten. Orkane und Tornados verstärkten jedoch die Unwetterszene. Die Schadenssituation durch Hochwasser entlang der großen und kleinen, oftmals zu eng verrohrten Flüsse wie z.B. in Dresden, wo die kanalisierte Weißeritz 2002 nach heftigen Regenfällen im Erzgebirge den Hauptbahnhof flutete, forderte immer kostenintensivere Vorsorgemaßnahmen. Doch vielerorts wurden diese Maßnahmen nur zaghaft angegangen oder es wurde ganz darauf verzichtet.

Dass bei plötzlichen, lokal auftretenden Starkregenereignissen wie jetzt im Juli 2021 bis zu 200 Liter pro Quadratmeter und mehr abregnen können, war verdrängt worden. In anderen Ländern ist man besser darauf eingestellt.
So sind in Südfrankreich, z.B. in Montpellier, Rückstauflächen und „Flutrinnen“ als Hochwasser-Durchleiter üblich. Bei uns fehl(t)en sie. Aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass derartige Flutrinnen die meiste Zeit im Jahr „ungenutzt“, d.h. unbebaut, vorgehalten werden müssen. Einige Städte wie Oldenburg (Oldb) im Nordwesten bspw. verfügen über größere innerstädtische Niederungsbereiche und unbebaute Korridore an den Fließgewässern Hunte und Haaren. Sie dienen dann der Kurzzeiterholung und der Landschaftsökologie.

Die staatlichen Landesämter warnen schon seit Jahrzehnten, dass im Zeichen des Klimawandels, der höheren Temperaturen und wachsenden Extremereignisse von Tornados bis Starkregen der Bedarf an Rückhalteflächen gestiegen ist.
Bereits im Jahr 2004 wurden in Niedersachsen insgesamt 4.750 Kilometer, das sind etwa 83 % der als gefahrbringend eingestuften niedersächsischen Fließgewässer, als Überschwemmungsgebiete mit entsprechenden Überschwemmungsgebietsverordnungen gesichert – nachzulesen mit einem entsprechend großformatigen Kartenwerk in „Hochwasserschutz – Überschwemmungsgebiete in Niedersachsen“ (NMU). Allerdings geht man auch hier nur von 100-jährigen Spitzen (HQ100) aus.

Was können Kommunen und Flächenbesitzer tun, um durch eine möglichst naturverträgliche Rückhaltung und Steuerung des Wassers den Hochwasserextremen einerseits, aber der Wasserknappheit andererseits entgegenzutreten?
Hier einige Vorschläge des NaFor:

  1. Vorhalten und Erweitern von Poldern und eingewalltem Grünland
  2. Neueinrichtung von Auen und umdeichten Seen und Teichen
  3. Rückverlegung von Deichen und Rücknahme von Flussbegradigungen (Rückbau)
  4. Sämtliche Bebauungspläne etc. nach 200- bis 300-jährigem Hochwasser-Höchststand ausrichten, also keine Baugebiete unterhalb mehr einrichten, keine Bebauung von (potenziellen) Überflutungsgebieten
  5. Feuchte Brachen nur einmal jährlich mähen und unverändert lassen (keine Bäume)
  6. Naturnahe Wälder – auch im Ersatz von Monokulturen – fördern, den Waldbestand erweitern, keine Waldbeseitigungen mehr – z.B. für Gewerbegebiete, Landesziel sind 40% der Landesfläche
  7. Landschaftswasserhaushalt wiederherstellen durch Laufverlängerungen (neue Mäander, Laichgewässer, Röhrichtneupflanzungen)
  8. Gebot und Kontrollen der Versickerung aller Niederschläge (von den Dächern, Werkshallen etc.) auf jedem Grundstück, Versickerungsfähigkeit aller öffentlichen Flächen fördern
  9. Förderung von Zisternen im und am Haus, Umwandlung von ehemaligen Dreikammergruben für die Gartenbewässerung
  10. Zuführung öffentlicher Flächen in die Wasserrückhaltung (z.B. an Autobahnen, Regenrückhaltebecken, Feuerlöschteiche, Erweiterungen von Schifffahrtskanälen) und für ökogische Zwecke, z.B. im Rahmen der Biotopverbundsysteme, der selektiven Wiedervernässung von Mooren

Weitere Hinweise sind zu finden unter:

https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/hochwasser/forderungen-fuer-mehr-hochwasserschutz

Alles ist dringlich und muss viel schneller in die Tat umgesetzt werden als bisher.

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Weitere Hinweise des NLWKN sind zu finden unter:

https://www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presse_und_offentlichkeitsarbeit/pressemitteilungen/okologische-durchgangigkeit-am-allerwehr-osterloh-wiederhergestellt-203695.html

Bei dieser Maßnahme handelt sich um die bisher größte in Niedersachen, bei der als naturnahe Lösung der Hauptlauf komplett umverlegt und der Altarm angeschlossen wird. Das Raugerinne verbindet auf kurzer Strecke zwei Gewässerstrecken mit unterschiedlichen Wasserspiegellagen und ermöglicht den Fischen trotz des in diesem Abschnitt stellenweise schneller fließenden Wassers die Wanderung. Der Höhenabbau erfolgtbeckenförmig über 14 Querriegel mit Natursteinen. Gefördert wird die Maßnahme im Rahmen des ELER-Programms (Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums)mit 1,9 Millionen Euro. Weitere Informationen und aktuelle Bilder vom Baufortschritt sind auf der Website des NLWKN zu finden: www.nlwkn.de/osterloh [Foto: NLWKN 2021]
Auch kleine Maßnahmen im Siedlungsbereich entlasten die Oberflächen-Kanalisation und entschärfen so Hochwassergefahren. Das Dachwasser kann aufgefangen werden und auf dem Grundstück versickern. Das kommt sowohl der Vegetation und Bodenfauna als auch dem Grundwasserhaushalt zugute. Dringend nötig ist hier ein entsprechender kommunalpolitischer Wille. Regenwasser-versickerung ist auf allen Grundstücken zu fördern oder vorzuschreiben, wobei die Einhaltung derartiger Richtlinien durch stichprobenartige Kontrollen gewährleistet werden muss. [Foto: BSHnatur]

Nachruf auf Prinz Philip

Am 9. April 2021 ist Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, gestorben.

Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) dankt für das jahrzehntelange erfolgreiche und überzeugende Wirken von Prinz Philip zugunsten des internationalen Natur- und Artenschutzes.

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NaFor Biotope 28 – Das Naturschutzgebiet Sager Meere

Biotope-Merkblatt Nr. 28 des Naturschutzforums (NaFor) und der BSH erschienen

Unter der langen Überschrift „Das Naturschutzgebiet Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor als Teil des FFH-Gebietes 012 „Sager Meere, Ahlhorner Fischteiche und Lethetal“ haben das Naturschutz Forum Deutschland (NaFor) und die Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems (BSH) ein neues Merkblatt herausgegeben. Es ist als Papierdruck kostenlos in der Geschäftsstelle 26203 Wardenburg zu erhalten oder kann im Internet unter www.bsh-natur.de (Aktuelle Infos) ausgedruckt werden. Sponsoren sind die Landessparkasse zu Oldenburg (LzO) und die Niedersächsische BINGO- Umweltstiftung.

Die Autorin ist die Biologin Dr. Sabine Baumann, die hier im Rahmen ihrer Tätigkeiten als Vertreterin des Mellumrats seit Jahren zuständig und tätig ist. Das Merkblatt umfasst wegen der zahlreichen eindrucks-vollen Abbildungen zwölf Seiten, womit es schon eher einem Informationsheft gleichkommt.

Hier ein Auszug aus dem Text:

Spricht man von den „Sager Meeren“, so sind damit zwei Erdfallseen – das „Große Sager Meer“ (16 ha) und das „Kleine Sager Meer“ (3 ha) – gemeint. Ihre Entstehung verdanken sie ihrer Lage auf einem ausgedehnten Salzstock. Durch Grundwasser wurden dessen Salze gelöst und ausgewaschen und es kam zu dolinenartigen Einstürzen und Nachrutschen von Sand, das Grundwasser füllte die Seen auf.

Dieser Entstehung verdanken die Seen zum einen ihre Tiefe (ca. 26 m bzw. 9 m), zum anderen aber vor allem ihren nährstoffarmen Charakter, sichtbar an Charakterarten für nährstoffarme Stillgewässer wie dem Froschkraut oder den Strandlingsgesellschaften und der Teichsimse. Ein Horst der Binsenschneide steht am Südwestufer des Kleinen Meeres, der einzige Standort dieser Art im oldenburgisch-ostfriesischen Raum. Das Kleine Sager Meer hat deutlich steilere Ufer, die von Gagelstrauch und Erlen-Birkenwald bewachsen sind. In alten Torfstichen rund um beide Seen, die durch einen kleinen Kanal verbunden sind, finden sich auch Bestände von Moorlilien, Sumpf-Calla, des Sumpffarnes oder des Königsfarns.

Insgesamt haben die stickstoffmeidenden Moorarten abgenommen und es ist eine Zunahme schattentolerierender und waldgebundener Arten zu verzeichnen, wobei diese nicht nur auf die natürliche Sukzession zurückzuführen, sondern auch eine Folge von Eutrophierung und Versauerung sind.

Das vollständige Biotope-Merkblatt finden Sie hier hier.


Schnüffeln für die Wissenschaft

VBIO – Aktuelles aus den Biowissenschaften  9 / 2021 (Auszug)

https://www.vbio.de/aktuelles/details_news

Annegret Grimm-Seyfarth mit Border Collie „Zammy“ auf der Suche nach bedrohten Kammmolchen. Foto: Daniel Peter

Die Listen der bedrohten Tiere und Pflanzen der Erde werden immer länger. Doch um diesen Trend stoppen zu können, fehlt es immer wieder an wichtigen Informationen. So lässt sich häufig nur schwer herausfinden, wo genau die einzelnen Arten noch vorkommen und wie sich ihre Bestände entwickeln. Speziell ausgebildete Artenspürhunde können in solchen Fällen eine wertvolle Hilfe sein, zeigt eine neue Übersichtsstudie. Mithilfe der vierbeinigen Helfer lassen sich die gesuchten Arten meist schneller und effektiver finden als mit anderen Methoden, berichten Dr. Annegret Grimm-Seyfarth vom UFZ und ihre Kolleginnen im Fachjournal Methods in Ecology and Evolution.

Wie viele Fischotter gibt es noch in Deutschland? Welche Lebensräume nutzen die bedrohten Kammmolche an Land? Und haben Großstadt-Igel mit anderen Problemen zu kämpfen als ihre Artgenossen in der Provinz? Wer die betreffenden Arten effektiv schützen will, sollte solche Fragen beantworten können. Doch das ist keineswegs einfach. Denn viele Tiere führen ein heimliches Leben im Verborgenen, selbst ihre Hinterlassenschaften sind mitunter schwer zu entdecken. Oft weiß deshalb niemand so genau, ob und in welchem Tempo ihre Bestände schrumpfen oder wo die letzten Refugien der Überlebenden sind. „Wir müssen dringend mehr über diese Arten wissen“, sagt Dr. Annegret Grimm-Seyfarth vom UFZ. „Aber dazu müssen wir sie erst einmal finden.“

Wenn es darum geht, offene Landschaften zu kartieren oder größere Tiere nachzuweisen, kann die Fernerkundung mit Luft- und Satellitenbildern weiterhelfen. Bei dicht bewachsenen Gebieten und kleineren, versteckt lebenden Arten dagegen machen sich Fachleute traditionell selbst auf die Suche oder arbeiten mit Kameras, Haarfallen und ähnlichen Tricks. In letzter Zeit stoßen aber auch weitere Techniken wie die Analyse von winzigen DNA-Spuren weltweit auf immer mehr Interesse. Und gerade dabei kann der Einsatz von speziell trainierten Spürhunden sehr nützlich sein. …(Weiter siehe obiger Link)