Oder-Hochwasser beweist Mangel an Rückstauflächen

NaturschutzForum Deutschland sieht im Biber keine Ursache

Hannover, 01. Juni 2010. In regelmäßigen Abständen fallen Niederschläge auch mehrtägig und mit Starkregen-Phasen. Laut Jahrhundert-Wetteranalysen ist immer öfter mit Wetterextremen zu rechnen, also mit regenreichen Wintern und heißen Sommern, aber auch mit sich spontan aufbauenden Stürmen und Orkanen zu jeder Jahreszeit. Nach den katastrophalen Hochwasserschäden 1997 zeigte sich jetzt nach nur 13 Jahren, wie im ostdeutschen bzw. westpolnischen Einzugsbereich der Oder technisch darauf reagiert worden ist.

Bislang haben die Deiche auf deutscher Seite standgehalten, auf polnischer Seite, vor allem im Oberlauf der Oder, nicht. Nach Auffassung des NaturschutzForum Deutschland (NaFor) sind dafür vor allem Bauplanungsfehler und Handlungsdefizite, nicht aber Nagetiere wie der Biber verantwortlich. Denn kaum jemand hat sich zwischenzeitlich darum gekümmert, ob Wohnareale in den ehemaligen Flussniederungen gefährdet sind. Streusiedlungen sind nach wie vor keine Seltenheit und auf welcher Höhe sie sich zum mittleren Wasserstand befinden, fragen sich Genehmigungsbehörden selten.

Es fehlt also eine hochwasserorientierte Flächennutzungs- und Bauleitplanung. Statt mit Gottvertrauen der nächsten „Jahrhundertflut“ in wenigen Jahren entgegen zu sehen, die wiederum Schäden -wie jetzt- bis zu drei Milliarden Euro verursachen könnte, sollten besonders gefährdete Häuser und Ortschaften umgesiedelt oder mit separaten Wallanlagen geschützt werden. So ist auch im Bereich des Elbe-Hochwassers 2002 verfahren worden. Das Bundesland Brandenburg hat mit 170 km Oderdeich 90 Prozent des Westufers hochwasserfest mit Innendrainagen saniert. Nur noch Deichabschnitte von 10 km Länge im Landkreis Oder-Spree sind noch auf den neuesten Stand zu bringen. Bisher sind in Brandenburg für die Hochwasserschutzmaßnahmen einschließlich Sandsäcke, Pumpen, mobile Metallabschirmungen und für die Honorare einiger hundert Deichläufer etwa 218 Millionen Euro aufgewendet worden.

Auf polnischer Seite sind gute Beispiele für die Wasserrückhaltung zu finden, zum Beispiel im Bereich der Warte-Mündung oberhalb von Küstrin. Hier, im Nationalpark „Ujscic warty“, gibt es weiträumige Überflutungsbereiche, für deren Schutz sich naturschutzorientiert arbeitende Biologen der Universitäten Poznan und Osnabrück / Vechta eingesetzt haben. Bis zu 180.000 Wildgänse rasten hier im Winter und benötigen die bis in den April baumkronen-hoch überschwemmten Niederungen. In diesem Sinne sollte auch im Oberlauf der Oder noch erheblich mehr getan werden. Denn Polen verfügt flächen-bezogen über die meisten Nationalparks in Europa, eider entlasten viele davon hydrologisch nicht den besiedelten Bereich. Also bedarf es im Odertal vrstärkter, auch grenzübergreifender Kooperationen beim Hochwasserschutz.

Das NaturschutzForum schlägt auf Grund guter Erfahrungen in Deutschland vor, labile Deiche an unsicheren Standorten weiter ins Landesinnere zurückzuverlegen und damit mehr Platz für das herandrängende Wasser zu schaffen. Auch hat sich die Laufverlängerung bewährt. Sie kann allerdings teurer sein als gezielt und flächenhaft Platz für das Hochwasser zu schaffen. Erinnert sei an die historischen Rieselwiesen, die in Deutschland vor der Zeit des Mineraldüngers eingerichtet wurden, um das Land mit düngenden Schwebstoffen aus dem Wasser zu versorgen. Vorgeschrieben sein sollte die Grünlandwirtschaft, denn Flutwellen schwemmen offene Ackerböden leicht flussabwärts davon, wenn Hunderttausende von Litern in Sekunden über sie hinwegströmen.

Maulwürfe und Nagetiere wie Wühlmäuse, Bisam, Nutria und Biber als Verursacher von Deichbrüchen verantwortlich zu machen, beweist nur, dass sich jahrelang niemand um die Entwicklung der Deichkörper gekümmert hat. Regelmäßiges Deich- und Hochwasserflächen-Management wie Schafbeweidung mit Trittverdichtung des Oberbodens und Überwachungen sind notwendig, um Schäden rechtzeitig vorzubeugen oder zu reparieren. Bäume gehören nicht auf den Deich.

Wenn das alles beachtet und wasserwirtschaftlich aufeinander abgestimmt wird, kann den nächsten Hochwasser-Kalamitäten etwas gelassener entgegen gesehen werden, ohne erneut so viel materielle Verluste und persönliches Leid der Anwohner in Kauf nehmen zu müssen.

Prof. Dr. Remmer Akkermann

Verwendete PM (Statistik): Birgel, D. (Dresdner Neueste Nachrichten), Deutschlandradio 29.05.2010